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Samstag, 17. April 2004 * Kalamata * Die Frequenz meiner Logbucheinträge, zusammen mit der Ortsangabe könnte einen scharfsinnigen Produzenten logischer Rückschlüsse zu folgendem Resultat seiner Überlegungen führen: a) der Verfasser des Logbuchs hat Zeit, b) er hat Zeit, weil sich sonst nichts tut. "a" ist richtig: (fast) alle Vorbereitungen zum Auslaufen getätigt, alle Umbau-, Service- und Wartungsarbeiten erledigt. "b" trifft auch zu: eigentlich hat die neue Segelsaison bereits begonnen - mit einer der häufigsten Übungen: warten auf ein passendes "Wetterfenster". Und weil in den nächsten Tagen noch ein paar verspätete Tiefs mit ihren "Trögen" noch etwas zu weit nach Süden rutschen werden, bleibt nur, sich in Geduld zu üben. Es gibt ja trotzdem genügend zu tun: Lesen statt schleifen, schreiben statt schrauben. Wir genießen, was wir während des Sommers so nicht mehr haben werden: Zum Beispiel das Warenangebot einer kleinen Großstadt (nach griechischen Maßstäben), den Komfort der Marina, die Nachbarschaft mit unseren Seglerfreunden am Steg, der regelmäßige Bezug der "ZEIT"; letzteres wiegt fast so schwer, wie die anderen Punkte. "Draußen" lacht uns wieder, wenn denn überhaupt eine deutsche Zeitung greifbar ist, die "Bild" hämisch aus dem Zeitschriftenständer an. Wir sind dann so angewidert, wie ein halbwegs intelligenter Amerikaner, der mit "seinem" Präsidenten identifiziert wird.

Was hat uns die Lektüre des "Qualitätsblattes" "ZEIT" während der Wintermonate an Einsichten gebracht? Dass Kochen noch immer als "Kulturgut" gewertet wird (Opa Siebeck als kulinarischer Märchenonkel), dass wir Harald Martensteins Glossen (die von Frau Berg waren amüsanter, aber leichtfertiger - hängt wohl irgendwie zusammen...) und Jens Jessens Klugheit genießen, Herausgeber und "Elder Statesman" Schmidt noch immer "raunzt" - aber das ziemlich weise, Naumann zuweilen schöne geistig-sprachliche "Häkeldeckchen" fabriziert, der "Gräfin" Geist noch immer den Redaktionen mit ihrem ethischen Marschallstab das moralische Kreuz gerade richtet.

Neben den Personalien en passant "rübergekommen": Dass Kirchenzugehörigkeit nicht vor Amoralität schützt (Methodistenprediger G. Bush), alte, einäugige Monstren nicht mehr mit Steinen sondern Mist werfen (Zyklop Rumpsteak ... oder wie hieß der Mensch gleich? Das Alte Europa ist so vergesslich....). Der "Ethikrat" in der "ZEIT" immer eindringlicher argumentiert, weil die Deutschen immer ratloser sind. Bei unfähigen Politikern, korrupten Wirtschaftslenkern und bedeutungslosen Kirchen ist das kein Wunder und darf vielleicht nicht in vollem Umfang "der Bevölkerung" angelastet werden - andererseits hat sie wohl eben die Politiker, Manager und Pastoren, die sie "verdient" - die Schmerzgrenze für einen "Aufstand der Anständigen" ist anscheinend noch lange nicht erreicht. Zur Zeit ist noch Emigration angesagt. Innere und äußere. Die Wirtschaft geht mal wieder forsch voran, der Rest grummelt "Soll´n sie halt gehen, die vaterlandslosen Gesellen...." Sinngemäß so gelesen in der aktuellen "ZEIT" und: 

"Schatzkammern der Bildung"; unter dieser Überschrift steht nun kein Artikel über eine besonders gut sortierte Bibliothek, eine Hochschule mit besonders brillianten Vorträgen oder wenigstens eine besonders aufschlussreiche Website im Internet. Von der protzigen "Museumsinsel" in Berlin ist die Rede. Und damit offenbart sich doch gleich ein Teil des Dilemmas: der Deutschen Bildung liegt im Museum wie anscheinend der Amerikaner Moral in einer methodistischen Bibelstunde. Sind Menschen, die in Reformsandalen das Pantheon-Fries anglotzen, danach gebildet? Ich hab´s auch angeglotzt - EIN gutes Buch gibt mir mehr. Ist man nach einer Bibelstunde ein besserer Mensch? Da kann ich als Sohn eines Methodistenpastors nur konstatieren: Ganz sicher nicht. Sonst hätte Laienprediger Bush "gesegnet" und nicht "geflucht", sprich: er hätte mal wenigstens versucht, zu verstehen, was in dem geografischen Gürtel wirklich passiert, den er unter windigsten Vorwänden bombardierte, um an seine Ölreserven ranzukommen. In jedem Seminar "Gewalt in der Gesellschaft" hört man seit ca. 50000 Jahren: "Nur wer sich geistig unterlegen fühlt, schlägt zu.". Da fühlen sich aber grade ziemlich Viele ziemlich unterlegen in der Welt. Fazit: Solange noch nach "Bildung" im Museum gestöbert wird, werden wir "geistig" recht arm bleiben und solange die Weisheit in frömmlerischen Bibelstunden gesucht wird, wird sich wohl auch auf "geistlichem" Gebiet wenig ändern (ohne damit unserem amtseidlich-gottlosen Bundeskanzler das Wort reden zu wollen - die Geste bei seinem Amtsantritt war, pardon, "kulturell bescheuert" (warum soll man immer den "Stammtischen" die starken Ausdrücke persönlicher Verachtung überlassen?)).

Soweit die Presseschau. In ein paar Tagen geht´s "raus" auf die Inseln und wenn wir unterwegs dann doch mal eine "Süddeutsche" oder wenigstens eine "Neue Züricher" oder "FAZ" finden, nehmen wir eben damit vorlieb. Ansonsten hab ich noch einige von mir bislang nicht ausgeforschte "Schatzkammern der Bildung" in meiner Bordbibliothek (ca. drei "laufende Meter" - da geht ganz schön was rein....). Außerdem ein paar CDs mit dem Inhalt mehrer hundert Werke aus Philosophie, Theater, Lyrik und Literatur. Dazu gebunden und auf CD-ROM die Bibel - wenn die wohlwollend, ernsthaft und mit freiem Geist gelesen würde von einigen Leuten, die ansonsten nicht unbedingt Bibelstunden frequentieren, müsste Herr Bush anfangen sich Sorgen zu machen - ein "Aufstand der Anständigen" wäre absehbar - so entstanden übrigens vor ca. 250 Jahren die "Methodisten" (Bemerkungen zu diesen in einem "Stichwort") - woran man nebenbei sieht, dass jede Bewegung missbraucht werden kann.