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Samstag, 24. April 2004 * Kalamata * Warten auf "besser Wetter". Eigentlich wollten wir definitiv am Dienstag lossegeln in die neue Saison. Die Wettervorhersage hat aber etwas dagegen. Das hoffentlich letzte Nachzügler-Tief des Winters zieht bis Mittwoch noch über uns weg. Zwar ohne schwerere Stürme, aber - wozu lossegeln bei Regen und Gewitterneigung? Da ruhen wir uns doch lieber noch zwei Tage länger aus und lassen uns bei unseren Vorbereitungen etwas mehr Zeit. Die Route ist aber bereits studiert: Mit Zwischenstopps in einigen Ankerbuchten bewegen wir uns rund um den mittleren "Finger" des Pelepones. Erstes Ziel wird die Hafenstadt Gythion im Einschnitt zwischen dem mittleren und östlichen "Finger". Da es an den südlichen Kaps durch Strömung und Wind, die aus der Ägäis herauskommen, recht "haarig" werden kann, müssen wir uns vorsehen. Ende Mai wollen wir dann in Athen sein. Zum Ersten, weil wir uns dort mit Elisabeths Bruder und seiner Familie treffen wollen - sie machen mit dem Wohnmobil eine Rundreise. Zum Zweiten, weil wir uns entschieden haben, unsere neue Segelgarderobe in Athen schneidern zu lassen. Auch wenn ich aufgrund bisheriger Erfahrungen eigentlich keine allzu gute Meinung von griechischen Handwerkern habe (s. Text "der Specialist"), spricht Einiges für diese Lösung: erstens kann der Segelmacher die Segel vor Ort selbst vermessen (wenn dann was nicht passt, kann das auf der Stelle reklamiert werden) und zweitens spricht der angebotene Preis dafür: ca. 60% (!) dessen, was wir in Deutschland bezahlen müssten. Daraufhin haben wir spontan beschlossen, uns auch noch einen Rollfock-Mechanismus für´s zweite Vorstag zu leisten. Segeltechnisch macht das Sinn: Wenn der Wind über 4 Beaufort anzieht (bis zu dieser Windstärke können wir vermutlich die neue große 140%-Genua am vorderen Bugspriet-Stag fahren), sind wir sicher dankbar dafür, nicht erst nach vorn springen zu müssen, um unter Starkwind ein flatterndes kleineres Segel am hinteren Stag einzufädeln. So geht das dann recht flott und sicher: Genua eingerollt und, fast gleichzeitig, die leicht verkleinerte Normalfock am hinteren Stag ausrollen. Da dieses Segel am stark beanspruchten Achterliek an mehreren Stellen beschädigt und dilettantisch geflickt war, aber ansonsten noch recht ordentlich aussieht, haben wir es um 15 cm gekürzt, mit Trimmleinenführung frisch vernäht und vom Segelmacher neue Haltegurte für Schot und Horn anbringen lassen. Damit ist dieses Segel nach unserer bisherigen Erfahrung mit den Segeleigenschaften unserer Unity "gut" für Windstärken bis ca. 7 Beaufort. Wenn bei stärkeren Winden noch ein Stützsegel gebraucht wird, kann dieses Segel dann stufenlos bis auf Bettlakengröße eingerollt werden. Da das künftige Großsegel zwei Reffs haben wird und das Besansegel immerhin noch ein Reff, werden wir auf "alles", was kommt, mit einer ausgewogenen und aufeinander abgestimmten Dimensionierung unserer drei Segel reagieren können. Ansonsten wappnen wir uns schon geistig für eine krasse Strapazierung unserer Nerven durch die griechischen "Specialists" - wir werden darüber berichten.

In den letzten Tagen habe ich zwei Ratgeber für Langfahrer (und alle, die sich mit dem Gedanken daran tragen) gelesen. Einer war verfasst von einem deutschen Segler, der andere von einer englischen Seglerin. Der deutsche Segler geht davon aus, dass man, ohne mindestens eine Million Euros auf der hohen Kante zu haben, gar nicht erst loszusegeln braucht, scheint aber auch auf einem relativ teuren Boot recht aufwändig zu leben. Die (allem Anschein nach einiges erfahrenere) englische Seglerin begnügt sich demgegenüber mit wenigen "Zig-Tausend", lebt dafür aber auch sehr bescheiden mit ihrem Mann auf einem recht karg dimensionierten und ausgestatteten Boot. Wir "segeln" irgendwo zwischen diesen Positionen herum. Unser Boot ist recht komfortabel, trotzdem leben wir relativ bescheiden (keine Restaurant- und Kneipenbesuche, sorgfältige Preisvergleiche bei Lebensmitteln und anderen Einkäufen etc.). Ich glaube, es gibt bei diesem Thema keine "Wahrheiten". Vieles hängt alleine schon davon ab, was man vorhat. Wir wollten von vornherein "einfach auf dem Boot leben" und in einem überschaubaren Seegebiet unterwegs sein (vorerst wird es das griechische Seegebiet bleiben - es ist anerkannter Maßen eines der schönsten weltweit). Von "Weltumsegelung" war nie die Rede. Das einzige, was wir wohl früher oder später einmal runden werden, sind die Inseln entlang des Mittelmeers bis zur spanisch-/französischen Grenze, von wo wir durch den "Canal du Midi" in die Biskaya tuckern, um dann nach Norden zu Nord- und Ostsee zu segeln. 

Bei allen Erwägungen gibt es den definitiv wichtigsten Punkt: Die Wahl des "richtigen" Bootes. Und das wiederum gibt es definitiv nicht

Grob gesagt, gibt es drei Kriterien bei der Auswahl des Bootes: Komfort, Geschwindigkeit und Ökonomie. Zwei davon sind realisierbar. Alle drei nicht. Man kann ein komfortables und schnelles Boot kaufen - das dann aber relativ kostspielig wird. Typische Vertreter dieser Kategorie sind die aktuell so beliebten Fahrtenkatamerane. Selbst für gebrauchte Teile in akzeptablem Zustand muss man noch ein Sümmchen bezahlen, das unser Budget deutlich überschritten hätte. Außerdem sind die Folgekosten sehr hoch. Alleine die doppelten Hafengebühren gehen mit der Zeit ordentlich ins Geld. (auf die "Glaubenskriege" zwischen den Befürwortern von Ein- und Mehrrumpfbooten will ich an dieser Stelle bewusst nicht näher eingehen). Oder man entscheidet sich für ein schnelles, relativ günstiges Boot - zum Langfahrtsegeln ist ein solches Boot nach unserer Meinung aber nicht geeignet. Leben "im Keller" in relativ beengten Verhältnissen drückt mit der Zeit ganz schön auf´s Gemüt. Wir haben Eigner solcher Boote kennen gelernt. Oft offen eingestanden beneideten sie uns um unseren Komfort, nachdem sie aus ihren engen dunklen "Racern" gekrabbelt waren. Und wenn man bedenkt, dass man den weit überwiegenden Teil der Fahrtenzeit nicht unterwegs ist, sondern in einer Bucht oder einem Hafen liegt, spricht für unseren Geschmack einiges dafür, "Komfort" an die erste Stelle zu setzen. Also: komfortabel und bezahlbar. Und da ist unsere Unity ein echtes Schmuckstück. Nachdem ich mich seit 20 Jahren für die Konzeption von Schiffen interessiere, fiel mir für unser individuelles Vorhaben mit unseren persönlichen Präferenzen kein Boot aus dem großen Spektrum des Angebots ein, das unseren Wünschen besser entsprochen hätte. Außerdem heißt "komfortabel" nun nicht, dass unser Schiff sich nicht bewegen würde. Wir planen nur unsere Tagesstrecken etwas kürzer, oder müssen eben mal etwas früher raus, wenn der "Schlag" etwas länger ausfällt. Aber dafür genießen wir auch unterwegs unser geräumiges, gutmütiges und komfortables Schiff, mit dem wir noch immer gut und ungestresst ankamen, wo immer wir hin wollten. Vor einiger Zeit habe ich einen Artikel über die alljährlich stattfindende populäre "ARC-Transatlantik-Regatta" von den Canarischen Inseln in die Karibik, gelesen. "Racer" schaffen die Strecke in ca. 14-18 Tagen. Schnelle Fahrtensegler in ca. 18-24 Tagen, Langkieler (wie unsere Unity) brauchen bis zu 35 Tage. Das Bemerkenswerte: Trotz der viel längeren Zeit auf See kommen die Langkieler-Crews gemessen an ihrem körperlichen und seelischen Zustand bei Weitem in der besten Verfassung in der Karibik an. Das sagt doch was .... zum Beispiel auch, dass unser Schiffchen durchaus "seegängig" ist - wir haben schon von einigen Nauticats auf "großer Fahrt" gehört. 

An dieser Stelle muss ich aber anmerken, dass ich mich, wenn ich denn wirklich eine Weltumsegelung ins Auge fassen würde, für ein anderes Boot entscheiden würde. Die seitlichen Schiebetüren und die großen Scheiben des Ruderhauses, für unsere Zwecke ein wunderbarer Komfort, sind vielleicht nicht so toll, wenn ein paar meterhohe Atlantikwellen mit ihrem tonnenschweren Wasserdruck über das Schiff hereinbrechen. Wie gesagt: bei der Wahl des Schiffs sollte man schon recht genau wissen, was man will. Bei vielen Schiffen haben wir allerdings den Eindruck, dass das eben nicht so ganz klar ist. Also gibt es immer mehr "08/15"-Einheitsschüsseln. Sie wollen es allen recht machen und sind dabei nur eines: zum Gähnen langweilig. Wir wanderten vor zwei Jahren über die "Hanseboot"-Messe in Hamburg. Nach der wiederholten Besichtigung des immer Gleichen mit leichten Variationen blieb mir zwischen all den sündteuren Langweilern nur ein Boot nachhaltig im Gedächtnis: In einer Nische des Messegeländes stand ein kleines schnuckliges Schiffchen aus polnischem Werftbau. Mit seinen knapp sechs Metern Länge winzig anzusehen, aber innen ein kleines, helles Raumwunder mit Sitzecke, 2 Kojen, kompletter Küchenzeile und Nasszelle - alles mit Stehhöhe (!). Ein geräumiges, ergonomisch gestaltetes Cockpit und ein simpel zu bedienendes Rick mit Vor- und Hauptsegel war da und sollte nach Herstellerangaben akzeptable Leistungen bringen und ein eingebauter kleiner Diesel rundete die Sache ab. Der Tiefgang erlaubt durch Kielschwert auch das Befahren lauschiger Binnengewässer und Flachwasserreviere. Der Neupreis siedelte sich auf dem Niveau eines Kleinwagens an. Eine komfortable und vielseitig nutzbare "Volksyacht", bei der man schon vom Ansehen sicher sein konnte, dass sie als Urlaubs- und Wochenend- Fahrtenboot viel Spaß machen kann, wenn man sich nicht davon blenden lässt, was nach Meinung der etablierten Szene als "wichtig" deklariert wird. Prompt wird das Teilchen wohl auch nie in die Berichte der etablierten Hochglanz-Segelmagazine aufgenommen. Wenn ich aber jemals wieder einen Wohnsitz in Deutschland habe und das Meer in "Wochenend-Nähe" ist, könnte ich mir den Ankauf dieses Schiffchens durchaus vorstellen. Dass ich mich mit dieser Aussage bei manchen Puristen ganz schön unbeliebt mache, ist mir offen gesagt - wurscht ....