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Nauplion, 12. Mai 2005

 

Monemvasia ist hübsch und sicher und einen freien Wasserhahn am Steg haben wir inzwischen auch entdeckt. Aber am vierten Tag hatten wir uns eigentlich genug ausgeruht. Die Wetterkarte sagte noch immer Starkwind an, aber im Norden sollten die Winde gemäßigt blasen - wir waren eindeutig noch zu nahe am Kap Maleas. Morgens wollten uns Peter und Kurt, die einen Tag zuvor eingelaufen waren, mit ihrer "Humlebi" vom Steg wegziehen, da wir noch immer auf Legerwall lagen, aber ich konnte mich nicht entschließen, das Angebot ohne ersichtliche Not anzunehmen - zu gefährlich. Also zogen die beiden um zehn Uhr los Richtung Kyparissia. Zur Mittagszeit hatte Elisabeth gerade das Essen fertig, als Flaute eintrat - nach einem Blitzstart speisten wir "draußen" auf unserer Heckterrasse mit Kurs nach Norden. Da schmeckte der Salat doch gleich noch mal so gut....

Dafür blieb uns die Flaute fast während der ganzen Strecke erhalten. Während sich Elisabeth auf die Heckterrasse in die Sonne verzog, besorgte ich das Bisschen an Navigation, das bei freier Seestrecke, Motorfahrt und eingeschaltetem Autopilot zu erledigen ist. Dann setzte ich mich auf die Stufe des Ruderhauses, nachdem ich mir einen selbst zusammengestellten Sampler mit Popsongs in den CD-Player gelegt hatte. "Klassische" Stücke, die ich aus verschiedensten Gründen mag. Manches wird oder wurde im Radio zu Tode gedudelt (das Schicksal bleibt auch der "Kleinen Nachtmusik" oder Pachelbels "Canon" nicht erspart), aber wenn man es im Abstand einiger Monate und Jahre mal wieder bewusst anhört, ist es ganz hübsch. Wer sich davon pausenlos volldröhnen lässt, und es nach dem fünfzigsten Mal innerhalb von 20 Tagen nicht mehr hören kann, ist selbst schuld. Also genoss ich den übermütigen "Choup-Choup-Song" von Cher, deren Stimme ja nun wirklich so bemerkenswert ist, dass sie sich auch ihre 286. Schönheitsoperation noch leisten kann. Dann schwingen wir mit "Treadlock-Holliday" über die Straße von Myrtos: Irgend wo her kommt da noch ein ganz ordentlicher Schwell. Macht nichts - wir sind inzwischen ziemlich "seefest". Zurück zum Reggae: bei allem spirituell-weltanschaulichen Hintergrund - ein "Rastafari" geht komplett an mir verloren - auf Treadlocks müsste ich wegen hygienisch-ästhetischen Gründen verzichten - und dann das Jamaika-Englisch! Wo ich "Kings-English" (in Zeiten der Demokratie "Oxford-English") doch so gerne höre! Kostprobe, auch wenn sie etwas misanthropisch daherkommt, aber der "Sound" ist halt doch wunderbar:

...the world which seems

to lie before us like a land of dreams

so various, so beautiful, so new

Hath really neither joy, nor love, nor light

Nor certitude nor peace, nor help for pain...

Wen es interessiert: das hat Matthew Arnold 1867 verfasst. Aber jetzt kommt zum Ausgleich was Überraschendes von Deep Purple (?): Ein gefühliges Weihnachtslied mit einer zwölfsaitigen Akustikgitarre. Ich beschließe, dass ein Picking dieser Qualität nur mit einer "Martin" zu schaffen ist - auch die Differenziertheit des Klangbilds spricht dafür. Na ja - für einige tausend Euro darf man ja auch was verlangen. Als nächstes das Seglerlied: "Everywhere you go, allways take the weather with you....". Dann drängt Fleedwood Mac "If you go your own way....". Alles noch echte "Lyriks" ohne Lärm und Maschinentakt, so richtig "der Seele gemäß". Dann die atemberaubenden Taktbrüche von "Owner of a lonely heart". Bei diesem Stück war "Abtanzen" zu den besten Zeiten der einstmals noblen "Baghwan-Discothek" in Stuttgart angesagt und alle "Trampeltiere" standen bei den Taktwechseln etwas ratlos auf der Fläche, obwohl man da doch so elegant einen "Turn" einbauen konnte ... lange her. Es folgt Klaus Doldingers "Passport" mit schöner Akustik-Percussion, einem schmissigen Klaviersolopart und interessanten Taktverschiebungen. Die ersten Takte von "Hotel California" könnte man als Soundtrack in Endlosschleife unter das Bild um uns her legen:

Aber dann fetzen Paul McCartney und die Wings mit "Wallstreet-Shuffle" in die relaxte Stimmung. Kennt übrigens jemand den Film oder Roman "High Fidelity"? "Kult" für Jungs meiner Generation - und einer der wenigen Fälle, in denen der Film dem Roman in nichts nachsteht. Gehört das jetzt zur Weigerung, nicht "alt" werden zu wollen? Wenn ich manche Menschen meiner Generation beobachte, hoffe ich wirklich, dass ich nie so alt wie sie werde - egal wie viele Lebensjahre mir noch bleiben. Dann schluchzt eine Ballade "I´m going, where the sun is shining" - na der würde seine Meinung nach einem griechischen August vielleicht auch ändern. Gleich danach trällert Agneta keck mit aalglatter Plastikstimme "Suuuperper Trooperper" - geballt wäre der Zuckerkonfekt von ABBA nur schwerlich ohne musikalische Darmverschlingung zu ertragen, aber als Zwischengang in diesem Menue ist´s dann doch ganz nett. J.J. Cale liefert den Kontrast: "She don´t like, she don´t like, she don´t li-hike .... Cocain". Das English! Oh man.... Aber jetzt melodramatisiert Jennifer Rush etwas über Jesse James. Ich hielt die Frau mit der Opernstimme immer für etwas überkanditelt. Als ich sie dann zufällig auf der Bühne wie eine Kreuzung zwischen Waldschrat und Bordsteinschwalbe rumhüpfen sah, war ich doch etwas erstaunt... Dann doch lieber Altmeister Clapton mit Hornbrille und Weltschmerz (dürfen wirklich nur Männer in diesem Business in Würde alt werden?). Und dann die keltisch mystischen Gesänge von Clannad, auch wenn ich absolut kein Fan von Marion Zimmer-Bradley bin. Bei so viel Wohlklang fällt mir eine heftige Stilrichtung aus meiner Jugend ein: "Underground". Der Slogan ging ja "Macht kaputt was euch kaputtmacht" - also, den Jungs muss Musik ziemlich viel Gemeines angetan haben. Dann doch lieber die "BluesBrothers": "Fette" Bläsersätze begleiten die hektische Empfehlung: "Everybody needs somebody to love...". Hm - kann das wirklich "Liebe" sein? Andererseits habe ich die starke Vermutung, dass ich neben "Shade" bei einem Schäferstündchen umgehend sanft entschlafen würde: An "Smooth Operator" ist höchstens die Percussion lasziv. Wir laufen in Kyparissia ein, und da sind auch schon unsere "Humlebi"-Herren und winken uns ans Pier vor ihr Boot.

Kyparissia ist so ein richtiger griechischer Bilderbuch-Hafen. Hier ist der Hund auf´s Netteste begraben. Wir freuen uns, mal wieder hier zu sein:

Nachdem alles von der Fahrt verstaut und das Boot gut vertäut ist, machen wir einen weiten Spaziergang durch das Dorf und entlang des steilen Hausbergs - auch davon ein paar Spots:

Besonders hübsch: Der weite Blick vom Berg zu den im Abenddunst schwimmenden Inseln:

Am nächsten Morgen sind wir relativ früh bereit zum Auslaufen Richtung Porto Cheli. Unsere beiden Herren winken uns noch freundlich nach und nach einer halben Stunde unter Maschinenkraft setzen wir beim ersten Windhauch alles, was die Unity an Segelgarderobe zu bieten hat: Vorn die Düse aus Genua und Kutterfock, in der Mitte das Hauptsegel und über unserer Heckterrasse das Besansegel. Bald rauschen wir mit guter Geschwindigkeit über den Argolischen Golf und bergen die Segel erst, als nach Rundung des fiesen Riffs an der Nordspitze der Insel Spetses kurz vor der Hafeneinfahrt von Porto Cheli Wind und Welle allzu ruppig werden.

Logbucheinträge, Ausschau halten, Kurs überwachen - die Bordroutine, wenn wir unterwegs sind....

Porto Cheli empfinden wir nun nicht gerade als "Paradehafen" - da lohnt sich nicht mal ein Photo. Ein ehemaliger Militärhafen, der nach dem Ende des kalten Krieges schnell mal zum Touristenhafen umfunktioniert werden sollte. Hat aber trotzdem was Künstliches und Frischwasser gibt´s nebenbei auch keines. Nein - auch wenn Hafen und (Riesen-)Bucht sehr geschützt sind - Porto Cheli kann uns nicht beeindrucken. Aber die halbe Kalamata - Winter - Belegschaft treibt sich noch hier rum, obwohl alle teilweise lange vor uns ausgelaufen sind: Witze und Mia mit ihrer "Scua" hatten etwas Pech mit Technik und Gesundheit, Heiner und Hanne von der "Cren" haben ihre "Reinke" hier "abgestellt" und kommen am Abend nach einem kurzen Deutschland-Aufenthalt wieder eingeflogen, Peter und Heide (Cats) sind am selben Tag, an dem wir abends ankamen, in der Früh Richtung Poros ausgelaufen. Wir halten uns auch nicht lange auf: Am nächsten Morgen setzen wir Segel Richtung Norden. Der Wetterdienst sagte Südwind voraus, also wollen wir uns einfach "hochblasen" lassen nach Nauplion.
Oben noch einmal Bilder unserer Vorsegel-"Düse". Erstaunlich, was damit möglich wird. Auf dem Bild in der Mitte sieht der Kenner, dass hin und wieder für den richtigen Segeltrimm einige Hilfskonstruktionen gebastelt werden müssen. Unsere Nauticat ist ja ursprünglich weder für die Spannweite einer 145°-Genua noch gar für ein zusätzlich gefahrenes Kutterstag konzipiert. Aber mit ein paar Leinen ist da recht schnell etwas Passendes "hingebändselt" und dann steht alles perfekt, wie auf dem linken Bild zu sehen ist. Gestern Abend fragte uns eine Dame am Steg, wozu wir um Himmels willen so viele Leinen am Bug führen. Dazu - zum Beispiel....

Zuerst haben wir, wie so oft, den Wind aus einer völlig anderen Richtung wie vorhergesagt, nämlich aus Nordwest. Inzwischen nehmen wir aber, was immer wir bekommen können. Also rauschen wir unter Vollbesegelung hoch am Wind durch den Morgen. Um die Mittagszeit fällt der Wind zusammen und weht danach fast übergangslos aus der vorhergesagten Richtung, nämlich aus Süd. Kutterfock und Hauptsegel werden eingeholt und dann geht´s mit Genua und Besan auf "Raumschots"-Kurs weiter. Fünf Stunden Stille, die nur durch das Plätschern und Rauschen der Wellen akustisch untermalt sind. Der Wind bleibt uns wieder treu bis wir fast vor dem Hafeneingang von Nauplion angelangt sind. Nauplion oder Naphplio ist eine riesige alte Venezianerfestung mit wechselhafter Geschichte und ein geschäftiger Industriehafen. Letzterer empfängt uns ohne dezidierte Anlegemöglichkeit für Yachten, also legen wir an der Promenade längsseits am Frachtschiffkai an. Die Port Authority, direkt an unserem Liegeplatz stationiert, scheint nichts dagegen zu haben, bittet uns nur freundlich darum, unser Boot ein paar Meter weiter hinten festzumachen (wir entsprechen dieser Bitte natürlich umgehend) und kurz darauf legt ein mittelgroßes Passagierschiff mit einer Horde lärmender Kids direkt vor unserem Bug an. Wir betrachten danach bei dem obligaten ersten Bummel die hübsche historische Altstadt direkt am Hafen:
In diesem Zusammenhang wieder etwas für die Rubrik "Das Letzte": Hoch über Nauplion thront in 240 Metern Höhe die riesige Festungsanlage, die hauptsächlich aus einem gewaltigen Mauerring rings um das Hochplateau besteht. Wir taten uns die Mühsal an, über nahezu 1000 steile Stufen den gewaltigen Felsen zu erklimmen (der Aufgang ist oben, mittleres Bild in der 2. Reihe deutlich zu erkennen). Oben angekommen erfahren wir am Eingang zum Mauerring von einem "bucklig Männlein", dass mit Hund kein Einlass zu dem grasbewachsenen Hochplateau erlaubt ist. Auch nicht mit Leine, auch nicht, wenn wir für Pia eine eigene Eintrittskarte lösen. Wir sollen Pia halt bitteschön irgendwo anbinden. Da wir wissen wie griechische Kinder zuweilen mit hilflosen angebundenen Hunden umgehen (mit Füßen treten, mit Steinen bewerfen, mit Stöcken schlagen etc. - auch oder gerade in Anwesenheit der Eltern), beschließen wir, auf das Betreten des Mauerrings zu verzichten. Laut Reiseführer ist ohnehin die Aussicht vom Felsen das Bemerkenswerteste. Und die Aussicht haben wir ja.... Was beim Aufstieg nicht so krass auffiel: Die Stufen im Berg sind halsbrecherisch. Nicht sehr tief (ca. 18 cm) und spiegelglatt. Die Neigung der Steintreppen ist mit einer Bühnenstiege vergleichbar. Das nun aber nicht mit dem Höhenunterschied eines Stockwerks, sondern auf 240 Höhenmetern. Es ist völlig klar, dass der Unglückliche, der hier ausrutscht und den Halt verliert, ohne Möglichkeit, sich irgendwo festzuhalten, zig Meter über die steil abfallenden Stufen kollert und sich an den scharfkantigen Stufen alle Knochen bricht, bis er am Ende des Treppenabsatzes weitere zig Meter frei in die Tiefe stürzt, um danach auf Felsen aufzuschlagen. Das überlebt niemand. Geländer fehlen komplett, Mauerbrüstungen fehlen weitgehend - direkt neben der schmalen Treppe lauert senkrecht hinter der völlig ungesicherten Kante der Abgrund (Bilder unten links und mitte).
Am unteren Teil der Festung kann man eine griechische Variante von Denkmalschutz bewundern: Mitten in die historischen Festungsanlagen sind Hotel-Klötze gepflanzt. Keine Bausünde der 70er - es wird momentan fröhlich weitergebaut. Aber jetzt werden die Klötze mit Naturstein verkleidet ...... Ein Beispiel von mehreren: Bild oben rechts. Unmittelbar wandelt mich die Lust an, eine der Kanonen, die die Venezianer hinterlassen haben und die noch immer bedrohlich von der Festung auf die Bucht gerichtet sind, mit an Bord zu nehmen und von der Seeseite aus ein paar gezielte Treffer abzufeuern.

Am ersten Abend in Nauplion kommen wir am Kai noch mit einem in Griechenland ansässigen deutschen Ehepaar ins Gespräch. Recht schnell kommen auch geistige Belange zur Sprache, wir sind angenehm berührt. Wie sich im Laufe des weiteren Gesprächs ergibt, handelt es sich um zwei Wissenschaftler mittleren Alters, der Gatte sogar ehemaliger Professor seines Fachs. Wie interessant! Allerdings müssen wir dann feststellen, dass die beiden recht heftig dem häufig bei deutschen "Residents" zu beobachtenden Virus der "Pelepones-Fraktion" erlegen sind: Griechenland ist in jeder Hinsicht das schönste Land der Erde, alle Griechen sind ausnahmslos gute und feine Menschen, und nebenbei ist Nauplion die schönste Stadt in diesem Paradies. Ich zucke bei Superlativen immer etwas zusammen. Durch welche Details definiert sich zum Beispiel auch "nur" das Prädikat "schön"? Und dann gar "schönste"? Ich persönlich empfinde, auf jeweils ganz unterschiedliche Weise, Corfu oder Paros als wesentlich schöner. Selbst offensichtliche Details werden heftig bestritten: Durch den Hafen von Nauplion weht zuweilen ein ranzig Rüchlein, was unter Seglern allgemein bekannt ist. "Aber nein! Nauplion hat das denkbar sauberste Wasser!" (Kommen Sie mir nicht mit Tatsachen - ich habe mir meine Meinung bereits gebildet???) Und zum Thema "Griechenland und die Griechen" habe ich nun ebenfalls eine partiell etwas abweichende Meinung. Aber, wie wir bei einem weiteren Treffen am folgenden Abend feststellen konnten, ist das Paar ansonsten so reizend und kultiviert im Auftritt (mit, wie wir im weiteren Gespräch feststellten, mehr oder minder sanften Neigungen zum Snobismus - "....ach, Sie malen Bilder für Geld?", "...wie wollen Sie bei Ihrer Rückkehr nach Deutschland wieder Anschluss an die besseren Kreise der Gesellschaft finden?") -  ich konstatierte für mich, dass die diskursweise Äußerung (m)einer zuweilen deutlich anders gearteten Meinung das Paar wohl nur irritieren, wenn nicht gar verärgern würde. Auch wenn mir einiges durch den Sinn ging, was einer näheren Erörterung bedurft hätte: Ein in meinen Augen reichlich undifferenziertes, oft mit Widersprüchen durchsetztes und durch großvolumige Scheuklappen begrenztes Weltbild ("...Nachrichten hören wir seit Jahren nicht mehr....") wurde mit so bestimmter Emphase vorgetragen, dass ich in vorgezogener Altersweisheit entschied, uns allen jedes Argumentieren als nutzlose Verschwendung von Atemluft zu "schenken", um im Frieden des heiteren Abends keinen Missklang aufkommen zu lassen. Auch Elisabeth beschied sich mit der Position der geduldigen Nachfragerin, da ihr recht schnell aufgefallen war, dass auf ihre Meinung nun absolut kein Wert gelegt wurde und sie auch keine Lust verspürte, vor tauben Ohren irgendwelche Opern abzusingen. Irgendwann in den letzten Jahren hat sich bei mir die Erkenntnis eingeschlichen, dass ich nicht Atlas bin, der ja bekanntlich die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern tragen musste. Wenn jemand beschließt, ein Stückchen Erde mit seiner Anwesenheit zu beehren und in schönstem Selbstbewusstsein konstatiert "Wo wir sind, muss es am schönsten sein, sonst wären wir doch nicht hier, oder....?" - wie könnte ich da widersprechen, oder, wie es in einem südafrikanischen Lied heißt: "Who am I, to blow against the wind?" Also höre ich mir lieber von Seiten der Gattin an, warum ich - "Sie scheinen doch Kapazitäten zu haben..." - mich doch statt weltanschaulich-philosophischer Betrachtungen lieber Gevatter Goethe zuwenden soll, den die Pelepones-Fraktion als verhinderten Griechenland-Fan für sich entdeckt hat. "Faust II" exakt eine Zeile länger als die Odyssee!! Und ich mach mir so gänzlich überflüssige Gedanken über den Sinn des Lebens. Ist es vorstellbar, dass irgend jemand Goethe nicht dem unbedeutenden Rest gedanklicher Spannbreite vorzieht? Für mich jedenfalls durchaus. Aber ich saß auch schon vor etwa 25 Jahren im Stuttgarter Schauspielhaus und konnte "Faust II" trotz vorheriger Zuhilfenahme einschlägiger Sekundärliteratur keine bestürzenden Erkenntnisse abgewinnen. Mein einziges "Löcken wider den Stachel" an diesem Abend bestand jedoch darin, dass ich versuchte, ein allzu freigebiges Perlenwerfen vor meinen inneren Schweinehund zu verhindern, indem ich die so engagiert um mein kulturelles Seelenleben bemühte Gattin mit freundlichstem Lächeln fragte, ob vielleicht die Möglichkeit bestünde, dass meine Verstandeskräfte für die Tiefe dieser epochalen Erkenntnisse etwas zu insufizient ausfallen, ergo, pardon die Platitude, ich vielleicht ganz einfach zu dumm für solche Höhenflüge sei? Ich verwies noch kurz in einem Nebensatz auf die zumindest partielle Relativierbarkeit der Goetheschen Farbenlehre, um anzudeuten, dass selbst ER zuweilen gewissen Irrtümern oblag, ergo der "Olympier" auch in Griechenland nur in einen bedingten Olymp, nicht aber in den Himmel gehoben werden kann. Aber schon das Letztere sprach ich nicht einmal mehr leise aus. Elisabeth fielen zuletzt auch keine Fragen mehr ein (den Part des Antwortgebers hatte der Gatte für sich reserviert - dozieren alle (Ex-)Professoren ungebremst im Privaten weiter? - und wissen alles besser?), also beendeten wir die Plauderei, bevor der Wein eventuell doch noch unser loses Mundwerk entfesselte und so konnte der Abend in freundlicher Harmonie ausklingen, nicht ohne mein möglichst galant vorgebrachtes Versprechen, mich fürderhin eines tieferen geistigen "Gründelns" (wie sich die Dame des Hauses auszudrücken beliebte) zu befleißigen. Vielleicht bleibe ich aber doch eher ein "Geistiger Fahrtensegler", der die wie auch immer zu bewertende Weisheit des Dilettanten in selbstbescheidender Würde zu tragen versucht.

Und dann noch schnell das Allerletzte: Stell dir vor, es ist ein ganz normaler Wochentag, Mittwoch, der 11. Mai, kein Feiertag ist im Kalender eingetragen, aber die Post und viele weitere Institutionen und Läden bleiben geschlossen. Des Rätsels Lösung: Am ersten Mai fiel das griechisch-orthodoxe Ostern mit dem "Tag der Arbeit" zusammen. Einen Feiertag sausen zu lassen, kommt aber nicht in die Tüte. Also wird der "Tag der Arbeit" eben am Datum mit der Doppel-Eins nachgefeiert, damit die Kommunistische Arbeiterpartei die Stadt stundenlang mit Parolen aus blechern krakeelenden "Flüstertüten" akustisch zumüllen kann und mit durch "Einpeitscher" intonierten Sprechchören in langen Demonstrationszügen durch die Straßen marschiert. Wir fordern hiermit, alle auf einen Sonntag gefallenen oder sonstwie "überkreuzten" Feiertage seit Bestehen der Bundesrepublik umgehend "en bloc" nachzufeiern: Deutschland bleibt für die nächsten 10 Monate geschlossen.