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Korfu / Harburg 

Dezember 2005

Die Unity steht sicher an Land, der "Umstieg" vom See- zum Land-Mobil ist fällig (Bild rechts). Die TouringRäder, die wir von Rainer und Margrit geschenkt bekamen, wurden überholt, die Bordklappräder für nächstes Jahr eingemottet, der Anhänger wird gepackt, Kleider, Handies, Laptops und Papiere umgeräumt. Was auf dem Bild noch fehlt, ist unser Beiboot "Trinity": auf der Fahrt durch die Kanäle im kommenden Jahr können wir es nicht hinterher schleppen (Stichwort: Schleusen). Also wandert es auf dem Hänger mit nach Deutschland und wird dort dann evtl. verkauft - für den "Rest" der Reise muss es eben doch so ein "Aufblas - Ding(i)" tun, das wir auf dem Vordeck stauen können....

Es war mal wieder "typisch griechisch", das Herauskranen unserer Unity: Organisatorisch etwas chaotisch, wurde unser Ärger zuletzt doch wieder durch den rustikal verschmitzten griechischen Charme besiegt. Dass ein paar recht energische Aussagen meinerseits an ein paar ganz bestimmten Punkten des Procedere von Nöten waren, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass normalerweise erst mal gar nichts mehr geht, wenn man auf die irrige Idee käme, einem Griechen etwas befehlen zu wollen, sprich: die energische Aussage ist zwar zuweilen nötig, sollte aber dringend in diplomatische Gesten "verpackt" werden. Ich wage die Spekulation, dass diese Geisteshaltung aus der Geschichte herrührt: Griechenland stand so viele Jahrhunderte unter der Herrschaft fremder Machthaber, dass "passiver Widerstand" und eine Portion individueller Anarchie fast zur Überlebensstrategie wurden und wohl noch einige Zeit ihren Platz in der "Volksseele" behaupten werden.....

Dann kam der vorletzte Abend, alles auf der Unity war verpackt und aufgeräumt, das Wohnmobil war startbereit und so blieb genügend Zeit mit unseren Freunden Robin und Renata, deren Schiff auch bereits "hoch und trocken" stand, noch einen amüsanten Plauderabend zu verbringen - im Wohnmobil. Am nächsten Tag war nur noch die Frage spannend, ob die Fähre nach Venedig früh am übernächsten Morgen auch wirklich auslaufen würde: Starkwinde brausten über die südliche Adria. Wir stellten uns erwartungsfroh bereits am Vorabend mit unserem Wohnmobil im Fährhafen zurecht und genossen den Mix von Wolken und einzelnen Sonnenlücken, der eine ganz eigene Stimmung generierte:

Dann noch einmal "griechischer Mix": die Fähre kam pünktlich, einige Aussagen der Fähragentur erwiesen sich jedoch als falsch und so verbrachten wir den ersten Teil der Reise, die Überfahrt nach Igumenitsa, früh um sechs Uhr in strömendem Regen und Sturm: wir hatten "Open Deck" gebucht, was mit "ANEK-Lines" auch im Winter kulanterweise geht - nur das Schiff war das falsche: es hatte gar kein "Open Deck", die Fähre dieses Typs verkehrt nur mit Destination Ankona. Also sollte unser Wohnmobil tief im Schiffsbauch eingeschlossen werden und wir mussten eiligst einige Utensilien für die nächsten sechsundzwanzig Stunden zusammenraffen. Das wäre unbequem aber nicht weiter tragisch gewesen. Unsere Pia sollte aber in eine winzige Käseschachtel im Freien hoch auf dem kältesten, nassesten und windigsten Deck eingesperrt werden. Noch einmal sprach ich energische Worte. Bis diesen jedoch Gehör geschenkt werden konnte, mussten wir uns eben bis Igumenitsa gedulden. Sprich: Wir wollten Pia nicht in die nasskalte Schachtel sperren (bei Nachttemperaturen von bis zu minus vier (!) Grad ein Martyrium - vor allem mit Pias dünnem Fell), in den Passagierbereich durfte sie aber auch nicht. Also verhielten wir uns solidarisch - die Unity-Crew erlitt gemeinsam den ersten Teil der Reise an Deck. Dunkelheit, Regen, Kälte und Sturm inklusive. Pia hat sich uns seinerzeit freiwillig angeschlossen und verhält sich ihrerseits mustergültig, von unserer Seite wiederum steht Tierquälerei nicht in dem Vertrag, den wir mit ihr abgemacht haben. In Igumenitsa löste sich dann alles blitzschnell in Wohlgefallen auf: Jede Stunde wird das Unterdeck kurz geöffnet, damit die Lastwagenfahrer nach ihren Trucks sehen können. Kein Problem, dass wir da ab und zu nach Pia schauten, die im Wohnmobil kampieren konnte. Warm, trocken und an einem Platz, den sie kennt. Nachmittags kam die Sonne heraus, da durfte sie dann für eine Stunde zwischen zwei Schließterminen mit an Deck - dass diese Stunde 120 Minuten hatte, weil grade niemand Lust hatte, zwischendurch aufzuschließen, war eben wieder .... griechisch. Ansonsten vertrieben wir uns die Zeit während der Überfahrt mit Lesen, Plaudern (u.a. mit einem deutschen Tavernabesitzer auf Korfu), Essen und Schlafen. Letzteres sogar so erholsam (auf den Polsterbänken der winters geschlossenen "Gelateria"), dass wir bei der Ankunft in Venedig zu früher Stunde erfrischt unseren Weg fortsetzen konnten. Wir näherten uns nun der Zone, in der der Winter Anfang Dezember schon richtig Ernst machen kann:

Also war die nächste Frage: Ist der Weg über den Gotthard befahrbar? Präziser: Ist er befahrbar für ein vollgepacktes Wohnmobil, zwar mit Winterreifen ausgestattet, aber mit zusätzlichem schwer beladenem Anhänger am Haken? "St. Gottardo" war uns freundlich gesonnen, die Strassen waren frei und selbst auf knapp 1300 Metern Höhe schneite es nur leicht, was mit unserem fluchtartigen Abtauchen in tiefere Lagen nach kurzer Zeit auch kein Thema mehr war. Nach Besuchen bei unseren Freunden in Baden und Basel strebten wir dem Hochschwarzwald zu, um in Schwenningen einen Familienbesuch abzustatten. Der Schwarzwald empfing uns tief winterlich,:

aber mit herrlichen Ausblicken:

Jetzt waren wir wirklich wieder "im Norden" angelangt. Der Schnee knirschte unter den Füßen, die Temperaturen auf 800 Metern Höhe waren weit unter die Null Grad Marke gefallen. Aber da es eine "trockene" Kälte war, empfanden wir sie nicht als unangenehm. Auf einem Parkplatz am Rand eines gepflegten Dörfchens machten wir Rast, kuschelten uns ins warme Wohnmobil und genossen, was wir mittlerweile als ungeheuren Luxus empfinden: STILLE. 

Wenn sich die Sonne zeigte, glänzte ringsum die Art von Winter, nach der wir im Süden doch immer ein wenig Heimweh hatten. Nach einem ausgiebigen Spaziergang durch die "weite, weiße Welt" ins mollig beheizte Wohnmobil zurück zu kommen, und mit einem heißen Kaffee in der Hand das Panorama durch die großen Doppelfenster noch ein wenig zu genießen, hat seinen eigenen Charme. Wir wurden schon oft gefragt, ob wir die relative Enge im Schiff oder Wohnmobil nicht als störend empfänden. Ich halte dem folgende Überlegungen und Erfahrungen entgegen: Schiffe und Wohnmobile sind die effizientesten Wohnräume, die ich kenne. Alles ist ergonomisch und schnell erreichbar untergebracht und angeordnet. Eine Qualität, an deren Komfort man sich sehr schnell gewöhnen kann. Ordnung zu halten ist dabei natürlich oberstes Gebot - eine nützliche Disziplinierung. Dafür ist alles schnell gereinigt und geheizt: unser Wohnmobil braucht "in Fahrt" zwar ungefähr das Anderthalbfache an Diesel wie ein konventioneller PKW, dafür verbrauchen wir im "Wohnbetrieb" einen winzigen Bruchteil der Heizkosten einer konventionellen Wohnung oder gar eines Hauses. Unsere ökonomische und ökologische Bilanz kann sich daher durchaus sehen lassen. Insbesondere, wenn man mit einbezieht, dass wir umweltfreundlich mit Gas heizen, fast der gesamte Strombedarf während des Fahrtbetriebs "nebenbei" produziert wird (natürlich in dieser Zeit auch die Wärme) und eine Solarzelle auf dem Dach fast den ganzen Rest besorgt. Beim Schiff verbessert sich die Bilanz noch weiter durch Segel bei der Fortbewegung und ein Windrad, das die Solarzellen sehr effektiv unterstützt. Würde ich heute noch einmal ein Haus bauen, würde ich mich bei der Konzeption von Raumgestaltung und Technik so weit wie möglich an einem Schiff orientieren. Ich habe die Vorteile in den letzten Jahren schätzen gelernt. Mein früheres Haus hatte ungefähr 300 qm Wohnfläche plus 250 qm Lagerraum. Der größte Teil dieser Fläche diente der Aufbewahrung ziemlich nutzloser Dinge. Ob das "Luxus" bedeutet, bezweifelte ich im Laufe der über zwanzig Jahre, während derer ich das Haus bewohnte, angesichts der erforderlichen Aufwände an Kosten und Arbeit immer mehr.

Unser nächster Anlaufpunkt war Stuttgart. Hier haben wir durch meine langjährige Ortskenntnis als "Eingeborener" bereits unseren "Stammplatz" für´s Wohnmobil. Eine stille Wohnstraße oberhalb der Innenstadt mit herrlicher Aussicht; Theater- und Museumsdistrikt, Stadtpark, Bibliotheken, Einkaufspassagen und Kinos sind in zehn Gehminuten erreichbar. Hier ein Haus zu besitzen ist fast unbezahlbar, selbst eine Wohnung ist hier nur mit überdurchschnittlichem Einkommen finanzierbar - sofern man überhaupt eine ergattern kann. Eine Übernachtung im Wohnmobil ist jedoch gestattet. Als ich zu Beginn meiner Wohnmobil-Zeit anlässlich einer Polizeikontrolle (das neue WoMo war noch nicht im Polizeicomputer erfasst) detailliert nachfragte, ob auch zwei oder drei Nächte "drin" seien, wenn ich grade in den Bibliotheken zu arbeiten habe, grinste der Polizist schelmisch: Wenn jemand "was sagt" - fahren Sie eben einen Meter weiter, dann haben Sie Ihren Wagen ja wieder "bewegt". Sprich: es geht nur darum, dass niemand den Platz als Campingrevier missversteht. Einer der Vorteile eines Wohnmobils besteht ja darin, dass es für eine gewisse Zeitspanne völlig autark ist - sowohl bei der Ver-, wie auch (durch entsprechende Tanks) bei der Entsorgung. Sprich: mit 5,50m Länge stehen wir eben am Straßenrand wie ein größerer PKW ohne außergewöhnlich viel Platz zu beanspruchen oder wie auch immer geartete Infrastruktur zu benötigen.

Es waren Einkäufe zu tätigen, ein Buchprojekt musste besprochen werden und darüber hinaus atmeten wir begeistert winterliche Großstadtluft. Kino, kompetente (und gut bestückte) Fachhändler, "Edelitaliener" und Weihnachtsmarkt inklusive; Besuch der Bibliotheken kommt der Arbeit halben unweigerlich beim nächsten Besuch, eine gute Theaterinszenierung und/oder ein Konzertbesuch muss vorläufig noch warten - "wir sind ja schließlich nicht zum Spaß hier", wie eine liebe Seglerfreundin stets anmerkte - wenn´s abends mal wieder "laut und lustig" wurde.... Also müssen uns vorerst die erzgebirglichen Holzerzeugnisse am Weihnachtsmarkt so gut es eben geht in die nötige vorweihnachtliche Stimmung versetzen:

Dann zogen wir uns für´s Erste wieder auf´s Land zurück, was in unserem Falle die Achse zwischen dem Nördlinger Ries und Dinkelsbühl bedeutet. Elisabeths Eltern, Freunde, Bekannte und ein aus vielen Jahren vertrautes "Terrain" geben sicher nicht die schlechteste "Matrix" für fröhlich-besinnliche Feiertage ab. Auch wenn wir uns (nicht zuletzt) während der letzten Jahre an ein Leben gewöhnt haben, in dem Improvisationstalent, Neugier und Flexibilität unseren Alltag bestimmten, sind wir für die Annehmlichkeiten der Sesshaftigkeit noch immer durchaus empfänglich...., was diese umgehend und listig für eine "Wiederbekehrung" der "Gelegenheits-Zigeuner" nutzt: Einige berufliche Angebote und Perspektiven, die sich zur Zeit für uns auf unseren jeweiligen Fachgebieten eröffnen, könnten zwar gewisse Änderungen bei der für das kommende Jahr geplanten "Rückführung" unserer Unity in den Norden bedingen, aber mit etwas Pragmatismus, Organisationstalent und der Hilfe segelbegeisterter Freunde hoffen wir auch diese Aufgabe gegebenenfalls zu meistern.

Als "Letztes" sei noch angemerkt, dass ich ohne "große Worte" über Frau Merkels politischen Einstand, wie wohl die meisten Menschen, (vorerst?) erfreut und erleichtert bin und angesichts Herrn Schröders Faux pas zu angewidert bin, um befriedigt über die Tatsache sein zu können, dass ich mit der anfänglichen Einschätzung seiner Person zu Schlechter letzt noch einmal gut ersichtlich recht bekomme. Was noch? In der aktuellen ZEIT schreibt Herr Joffe einen weihnachtlichen Leitartikel "Gott ist nicht tot", dessen Qualität an Intelligenz, Klugheit und Formulierung ich leider des öfteren bei den Weihnachtspredigten der "Profis" schmerzlich vermisse. Wenn eine Zeitung ihr "Wort zur Weihnacht" schon selbst schreiben muss (und das mit Bravour erledigt), könnte man argwöhnen, dass einem kirchlichen Würdenträger einfach nicht zugetraut wird, etwas Qualifiziertes zum Thema zu äußern. Wenn ich an die Predigten denke, die ich in den letzten Jahren an verschiedensten Orten anhören durfte, neige ich ebenfalls zu der Meinung, dass so manchem Pastor eine "Qualitätsoffensive" nicht schaden könnte - vielleicht klappt´s ja dann auch mit einer Veröffentlichung in einer "Qualitätszeitung" ...... 

Als "Allerletztes":

Diese Hündin ist "potthässlich", unförmig, alt, krank, fast unbeweglich von Rheuma geplagt. Sie lebt in der Marina Gouvia auf Korfu, gnadenhalber geduldet. Und (fast) jeder hat für sie ein freundliches Wort, ein wenig Nackenkraulen, ein paar Happen Futter oder einen alten Teppich für die kalten Nächte übrig. Sie ist dafür so dankbar, dass sie ihre Gönner trotz aller Gebrechen kilometerweit begleitet und wenn sie versucht, vor Freude und Dankbarkeit ungelenk zu hüpfen, weiß man nicht, ob man vor Mitleid weinen soll oder herzhaft lachen, weil das so komisch aussieht. Viele Yachties haben diese Hündin in ihr Herz geschlossen und helfen ihr, so unansehnlich sie auch sein mag. In der Marina hat sie damit Asylrecht - ansonsten wäre dieser Hund in südlichen, gar in arabischen Ländern längst zu Tode gequält worden. Armen und gebrechlichen Menschen geht es in diesen Breiten oft wenig besser, wir haben das selbst bisweilen traurig aber hilflos beobachtet.

Warum haben sich viele Menschen unserer "westlichen" Gesellschaften trotz aller Abstumpfung, Gier und ethischen Degenerierung (s.o. "Schröder") ein Gefühl dafür bewahrt, dass auch "dem Geringsten", ob Tier oder Mensch, Mitgefühl und Hilfe zuteil werden sollte, wenn das offensichtlich von Nöten ist? Warum gibt es doch immer wieder und trotz aller eigenen Sorgen und Probleme so viele Impulse, anderen zu helfen, sie aufzumuntern und zu unterstützen? Warum entsteht angesichts von Zynismus und Arroganz der Mächtigen (Schröder da capo) das grundsätzliche oder spontane Bedürfnis aus "nur" mit altruistischen Motiven erklärbaren Gründen heraus zu helfen? Sei es mit einer freundlichen Geste, einem Rat, tätiger Hilfeleistung oder eben im materiellen Bereich. Ich persönlich feiere an Weihnachten ganz schlicht, aber doch im Bewusstsein ihrer Tragweite die Aussage "DAS LICHT KAM IN DIE WELT". Wir leben in einer Kultur, deren humanistische Wurzeln vor ca. 2000 Jahren ihren Anfang nahmen und deren Einfluss auf die Qualität unseres Denkens und Handelns wir noch immer Enormes zu verdanken haben. Mein immer wiederkehrender Weihnachtswunsch für mich und "meine" Welt ist, dass sich möglichst viele Menschen dessen bewusst sind oder (wieder?) werden. Es erscheint mir immer wichtiger, die Werte, die weite Bereiche unserer Kultur ausmachen, ja - sie erst ermöglich(t)en, ganz bewusst und engagiert weiter zu entwickeln, zu pflegen und zu bewahren. Nach "außen", aber auch nach innen: gegen Ignoranz, Gleichgültigkeit und Verfälschung (Stichwort "Bush"). Sonst verlieren wir eine Heimat, die wichtiger ist als ein Haus oder ein Land. Wenn Geist und Herz heimatlos werden, überstrahlt kein Weihnachtsbaum die Trostlosigkeit und kein Kaminfeuer kann die daraus entstehende Kälte vertreiben. Im Bewusstsein und der Praktizierung von "Glaube, Liebe und Hoffnung" liegt für mich noch immer eine Kraft, die allen Lichtern, die zur Zeit angezündet werden, erst Sinn und damit Glanz verleiht. Diese Gedanken sind nun nicht besonders neu oder kreativ - ich denke, das haben sie in ihrer tiefsten Bedeutung aber auch gar nicht nötig. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern dieses Logbuchs eine

"Gesegnete Weihnacht"