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Korfu, 23. November 2005

 

Der Sommer kann auch hier mittlerweile endgültig unter der Rubrik "a tale of yesterday" abgelegt werden, was mich an meinen ersten längeren Aufenthalt in Korfu 2003 erinnert. Dunkle Wolken, Nachttemperaturen um Null Grad (auf den Bergen am gegenüberliegenden Festland liegt bereits der erste Schnee), kräftige Regenschauer, Sturm. Letzterer tobt in der Adria nördlich von Korfu mit Orkanstärke (Bft. 12 sind angesagt, weiter geht die Skala nun mal nicht) und über fünf Meter hohen Wellen. Selbst der Verkehr der großen Fähren nach Italien ist vorübergehend eingestellt. Es breitet sich "echtes" Inselgefühl aus: Seglerkollegen wollten eigentlich noch schnell vermittelst ihres "Porsche Boxter" fliehen - zu spät. Und am Brenner geht zur Zeit auch nichts mehr, da helfen auch die vielen PS nichts. Zusätzlich hat das Ehepaar auch noch einen Hund dabei: das Tierlein, das wir zwei Logbücher zuvor annonciert hatten (inzwischen wieder gelöscht). Zu unserer großen Erleichterung nahm die Finderin ihn wieder zu sich - wir hatten uns bereit erklärt, für den Transport aufzukommen und den Hund wahlweise bei einem Interessenten oder im Tierheim abzuliefern. Ich war ohnehin von der Idee nur mäßig begeistert: griechische Hunde sind interessant, wenn sie ca. ein Jahr auf der Straße überlebt haben. Danach sind sie oft zu alt für eine Umgewöhnung, davor sind es eben junge Hunde, die mühsam selbst erzogen werden müssen. Im "richtigen" Alter haben die Hunde auf der Straße genügend gelernt (mit Autos umzugehen, Sozialisierung etc.) und sind aus den Erfahrungen ihres ersten Lebensjahrs (wenn sie´s denn überleben) so froh, wenn sie ein Zuhause finden, dass sie alles recht machen wollen und sich daher die "restliche" Erziehung oft recht problemlos gestaltet. Klingt vielleicht brutal in den Ohren weicher Herzen, aber so sieht die Realität nun mal aus. Der Hund um den es aktuell ging ist, wenn auch ein lieber Kerl, nach meiner Meinung noch etwas zu jung, aber das ist zum Glück nun nicht mehr unser Problem. Eigentlich hatte mir Elisabeth ohnehin bereits vor zwei Jahren "hoch und heilig" versprochen, dass das Thema "Hunde-Ex- und Import" erledigt sei. Elisabeths "Herz für Tiere" und wiederum meine Zuneigung zu ihr (die mir eben dann doch ein seufzendes Zugeständnis abrang - nicht Elisabeth, sondern die Zuneigung - smile) hätten uns nun fast zum dritten Mal eine anstrengende Reise mit zwei Hunden beschert. So ist nun "nur" unsere Pia mit von der Partie und die ist zu Wasser und zu Lande inzwischen ein echter "Traveller-Profi".

Auch wenn wir hoffen, dass der Regen am 1. Dezember eine Pause einlegt, wenn wir die Unity aus dem Wasser holen, nehmen wir den Wintereinbruch recht gelassen: alle Arbeiten an Schiff und Wohnmobil, die trockenes, wärmeres Wetter erforderten, sind erledigt. Gestern zeigte dann noch eine Wasserlache in der Nasszelle des Schiffs an, dass die Membran der Vakuumpumpe für die Toilette defekt war. Nach all den Reparaturen der letzten Jahre waren die Demontage des Systems, Reinigung, Teileaustausch und der Wiedereinbau schnell und problemlos erledigt. Als diese Arbeit vor drei Jahren zum ersten Mal anstand, hing ich noch einen Tag lang lang verquer unterm Waschbecken, jetzt stand grade mal noch eine Stunde bei "gemütlichem" Arbeitstempo an. Falls mir mal gar nichts Besseres einfallen sollte, arbeite ich als Schiffsmechanikus - die Fertigkeiten, die ich mir auf diesem Gebiet in den letzten Jahren notgedrungen zugelegt habe, wären so immerhin wenigstens noch einen Teil des Geldes wert, den all die Basteleien rein durch die Materialkosten verschlungen haben. Allerdings lag der Lohn auch schon ganz direkt im Tun an sich: erstens machen mir die Basteleien meistens Spaß, zweitens sind in Griechenland teilweise einfach keine qualifizierten Fachleute zu bekommen, drittens hätte ich, wenn ich bei jedem Defekt einen Handwerker engagiert hätte, vor der Weiterfahrt auf eine Erbschaft (nicht in Aussicht) oder einen Lottogewinn (ebenfalls Fehlanzeige - ich spiele nicht) hoffen müssen. Eine Bastelei des letzten Winters macht sich nun äußerst angenehm bemerkbar: die neu installierte "Eberspächer" Dieselheizung versorgt über das ebenfalls neu verlegte Rohrsystem das Schiff sehr effektiv von Bug bis Heck mit molliger Wärme. Beim Start faucht das Gerät in der Größe einer halben Schuhschachtel (!) wie ein startendes Düsenflugzeug, um sich dann selbsttätig je nach Einstellung des Temperatur-Relais in den gewünschten Dauerbetriebs-Modus herunter zu regeln. Es ist faszinierend, zu welchen Miniaturmaßen eine "ganze Ölheizung" komplett mit Brenner, Heißluftgebläse und Regelungstechnik dank moderner Technik geschrumpft ist.

Gestern Abend revanchierten wir uns dann für die Schweizer Rösti und das "Züricher Rahmgeschnetzelte" vom letzten Logbuch mit ..... handgeschabten Spätzle - natürlich. Beim Nachtisch entbrannte zwischen Robin (Skipper "French Leave") und mir dann noch eine lebhafte Diskussion über den Themenkreis Kirchen und Gottesbild. Wieder einmal konnte ich an Robins Argumenten ablesen, welche Verheerungen die Kirchen zuweilen durch ein unzeitgemäßes Gottesbild an unserer Kultur begehen. Die Dauer, in der man ein Walnusseis verspeist, während man wild argumentierend mit dem Dessertlöffel herumfuchtelt, reichte leider nicht aus, um Robin in befriedigender Tiefe erläutern zu können, dass die Kirchen weder einen Gottesbegriff noch die Bibel gepachtet haben und ich den Erzbischof von Canterbury (Robins argumentativer Kronzeuge) für einen philosophisch-theologischen Stümper halte, wenn er herumtrompetet, er glaube nicht an einen Gott (!). An das Gottesbild, das er und viele seiner Kollegen propagieren, kann ein halbwegs gebildeter Mensch in der Form, in der es präsentiert wird auch nur noch schwerlich glauben. Aber nur weil mir ein naiver Schwärmer weiß machen will, der Mond bestünde ganz offensichtlich aus schweizer Käse, weil die Löcher doch ganz deutlich zu sehen seien, bezweifle ich doch nicht die Existenz des Gestirns an sich  - nur die hirnrissige Erklärung seiner Beschaffenheit. Nicht viel anders verhält es sich mit vielen von den Kanzeln herunter-postulierten Gottesdefinitionen, die leider eben doch viele Menschen dazu bringen, sich mit Grausen abzuwenden. Sei es, um sich fürderhin als Atheisten zu etikettieren, sei es, um sich irgend einer dubiosen Sekte anzuschließen - ein schwerer Schaden für die Bildung eines gesellschaftlichen Werte-Kanons. Die Geschichten (auch des Neuen Testaments) wurden aber nun mal für orientalische Analphabeten, meist ohne jede Schulbildung, erzählt. Da musste zu (bisweilen sehr orientalisch blumigen) Metaphern und Gleichnissen gegriffen werden, um die Prinzipen der nahe zu bringenden Lehren zu verdeutlichen. Aber nur weil viele Pastoren diese Metaphern noch immer oder schon wieder als unübertragbare Realität darstellen (z.B.: Evolutionsstreit), sollten die Kernaussagen aus vieltausendjähriger Erfahrung und gedanklicher Verarbeitung nicht achtlos zum Müll der Geschichte geworfen werden. Ich war mal wieder stocksauer - nicht auf Robin, sondern auf einen gewissen Teil der Geistlichkeit. Renatas Walnusseis war trotzdem formidabel.

Vielleicht um mich ein wenig zu trösten, meinte Robin, er habe im gesamten Mittelmeerraum nur einen Menschen erlebt, der ähnlich viel von Computern verstehe wie ich - und der hatte ihm das Navigationsprogramm auch nicht zum Laufen gebracht, das jetzt nach etwas Laborieren meinerseits auf jedem seiner beiden Laptops problemlos mit GPS-Positionierung läuft, womit ich für diesen Sommer die zehnte Kerbe an meine "Maus" schnitzen darf. Zum Status des Computer-Gurus kommt man in mediterranen Yachtkreisen allerdings recht "billig": da wird oft irgendein Laptop gekauft, die Platte fröhlich mit verschiedensten Programmen zugemüllt und dann werden erwartungsfroh alle möglichen Peripheriegeräte eingestöpselt. Was, da muss ein Treiber installiert werden? Was ist das denn? Betriebssystem? Na eben Windows. Welche Version? ...??.... Kompatibilität? ...???... Aufgrund solcher und ähnlicher Defizite konnte ich mich immer wieder nützlich machen, gestählt durch "User"-Erfahrungen ab Commodore C64. Festplatten entmüllen, Programme richtig installieren, Treiber- und Schnittstellenkonflikte lösen, Systemeinstellungen anpassen etcetcetc. Es möge mich aber nun bitte niemand als "Nerd" verdächtigen. Ich bin meistens nur der Einäugige unter (fast) Blinden. Aber ich entstamme eben auch noch einer Kaste, die den Klassiker "ZEN - oder die Kunst ein Motorrad zu warten" wenigstens bis zu einem gewissen Grad verinnerlicht hat. Will sagen: Wenigstens bis zu einem gewissen Grad und in einer gewissen Tiefe möchte ich "meine Welt" verstehen: Dass die Motoren unseres Wohnmobils und unseres Schiffs "Langhuber-Diesel" sind - und was man bei ihrem Betrieb beachten muss. Dass "Ernährung" mehr ist, als sich irgendetwas zur Sättigung in den Mund zu schieben. Und eben auch, dass man einem Betriebssystem wie "Windows XP" permanent auf die sprichwörtlichen "Finger" schauen und ab und zu auch "hauen" muss, wenn man nicht in eine gnadenlose Abhängigkeit von Herrn Gates "Microslaves" geraten will. Das ist kein allzu großes Kunststück - aber wollen sollte man schon, auch wenn es immer schwieriger wird: bei meinen VW-"Käfern" konnte ich in den 70ern noch selbst den Zündverteiler reparieren, bei meinen BMW-Motorrädern mit einer "Lehre" die Ventile einstellen. Bei den "Computer-Diagnostik"-Systemen moderner Autos geht da gar nichts mehr. Aber wenigstens weiß ich aus den alten Zeiten noch, wie ein Motor funktioniert, was ihm gut tut, und was ihn ruiniert. Ich würde zum Beispiel nie einen griechischen Gebrauchtwagen kaufen: die Motoren werden oft schon im kalten Zustand in höchste Drehzahlen gejagt (Metall muss aber erst warm und dadurch elastisch werden, bevor es stärkere Belastungen schadlos aushält, auch der "Film" des Motoröls reißt bei allem technischen Fortschritt in kaltem Zustand leichter ab), die Fortbewegung erfolgt dann in ständigen Vollgasbeschleunigungen (wrumm-wrumm-wrumm) - alle paar Sekunden eine Lastwechselreaktion: die effektivste Art, die Lager (und damit das Kernstück) eines Motors in kürzest möglicher Zeit kaputt zu fahren. Viele solcher Beobachtungen lassen sich mühelos auf "das Leben" im allgemeinen übertragen: die sorglose Gewalttätigkeit und Ignoranz, die manche Menschen in ihrer Lebensführung an den Tag legen, ist bisweilen erschütternd, nur dass daraus mehr Schaden als beim einem falsch bedienten Motor oder Computersystem entsteht. Dass ich auf die ersten zwei Drittel meines Lebens mit einer gewissen Zufriedenheit zurückblicken kann, macht mich dankbar für die Menschen, die mich eine gewisse Form von Sorgfalt und Umsicht  gelehrt haben (und dazu gehört eben auch in den Grenzen meines persönlichen Vermögens ein Interesse und Verständnis für Sachverhalte und Zusammenhänge). Natürlich "musste" ich trotzdem zuweilen mutwillig gegen diese Prinzipien verstoßen, das bringt Farbe ins Leben - und wenn es das Rot einer blutigen Nase ist. Aber eine zu große "Leichtigkeit des Seins" wäre ja vielleicht auch schon wieder unerträglich, glaubt man Herrn Kundera. So wie ein Motor "versauert", wenn er nicht zuweilen auch (in der richtigen Weise) belastet wird. 

Was noch? "Habeamus Merkel"! Nachdem wir schon Papst sind, nun auch das noch.... Wer dieses Logbuch schon eine Zeit lang verfolgt, weiß, dass ich über unsere gewesene Regierung nicht allzu begeistert war. Vor nunmehr fast drei Jahren notierte ich in einem kurzen Text, den ich kürzlich wiederfand, meine Wertschätzung politischer Vorgänge jener Tage. Ich hatte mich kurz vor dem Verfassen des Texts glücklich zusammen mit Elisabeth auf die Unity abgesetzt, nachdem ich anlässlich der letzten "Wahlnacht" vor unserem Aufbruch fassungslos vor dem Fernseher in Dinkelsbühl gesessen war - im Licht der letzten Entwicklungen muss man allerdings wohl schon wieder froh sein über das damalige Ergebnis: ein Kanzler Stoiber, der, wenn´s eng wird, schreit "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" und eilends nach Bayern entschwindet, wäre wohl auch nicht eben das gewesen, was die Republik dringend gebraucht hätte. Jetzt also eine "Grosse Koalition", die beim ersten Blick wie eine politische Bankrotterklärung anmutet: Keiner Seite wird mehr zugetraut, dass sie die anstehenden Aufgaben stemmen könnte, aber ob Null plus Null eine Eins ergibt, scheint doch zumindest im mathematischen Sinne etwas fraglich. Wie dem auch sei - es ist zu hoffen, dass die Damen und Herren Klassensprecher in Berlin sich darüber klar sind, dass sie ihre komplette Kaste als "letztes Aufgebot" unseres demokratischen Systems bei allzu eklatantem Versagen endgültig als so wenig vertrauenswürdig entblößen, wie das viele Bürger offen oder insgeheim argwöhnen. Die Situation ist zweifellos äußerst ernst. Was eine gewisse Frau Nahles nicht davon abgehalten hat, den politischen Knallfrosch mit der Anmutung einer Hilfskindergärtnerin abzugeben und was auch ein paar ältere Herrn nicht daran hinderte, in recht unrühmlicher Weise ihre vollen Hosen anstatt eines Fehdehandschuhs in den Kreis werfen. Gevatter Hesse meinte ja, dass "jedem Anfang wohnt ein Zauber inne". In einigen Fällen war das jedoch zuweilen ein ziemlich fauler Budenzauber. Aber jetzt "Kanzlerin Merkel". Ich geb´s zu: meine Gefühle für "uns Angiiie" waren bisher nicht eben von überwältigender Sympathie getragen. Aber die Situation in Deutschland erscheint so ernst, die zu bewältigenden Aufgaben so anspruchsvoll, dass selbst ich mir meine Lästerlust verbiete, auch wenn genügend Projektionsfläche vorhanden wäre. Es ist, jenseits persönlicher Vorbehalte und Vorlieben, Frau Merkel und unserem Land dringend zu wünschen, dass die neue Kanzlerin die Vorauslorbeeren, die jetzt eilends in die Medien ge(d)rückt werden, einlösen kann und die pragmatische Nüchternheit der Wissenschaftlerin, verbunden mit der ethischen Ernsthaftigkeit der Protestantin einen neuen Politikstil ergibt, der unser Land gleichzeitig stabilisiert und belebt durch intelligent gesetzte Impulse. Der überfrachtete Dampfer unserer Republik schlingert zur Zeit gewaltig und auf "Autopilot" zu schalten kommt in dieser Situation nicht in Frage. Frau Merkel hat sich und ihre Karriere, teilweise eher weniger elegant, nach "oben" bugsiert. Darin liegt nicht nur ein ehrgeiziger Anspruch, sondern auch ein Versprechen, und auch wenn wir über die Details dieses Versprechens bisher eher spärliche Erläuterungen mitgeteilt bekommen haben - jetzt muss es eingelöst werden, in aller Komplexität der Sachlagen. Darüber kann auch die neue Milde, die derzeit scheinbar über dem Berliner Regierungsviertel ausgebrochen ist, nicht hinwegtäuschen. Ich will Frau Merkel nur zu gerne glauben, dass sie ernsthaften Willens ist, ihr Bestes zu geben - und hoffe inständig, dass es zur Bewältigung des Anstehenden ausreicht. Jedenfalls machen Elisabeth und ich uns samt Hund, Schiff und Wohnmobil im nächsten Jahr wieder frohgemut auf den Heimweg gen Norden - was dann auf uns zukommt, wird mindestens so spannend wie ein Achtzig-Meilen Törn - und vermutlich um Einiges anstrengender.... Aber wir haben mittlerweile eingesehen, dass, wenn wir mit unserer Rückkehr bis zum nächsten "Wirtschaftswunder" warten wollen, uns die heimischen Gefilde vor unserem Ableben wohl nur noch besuchsweise winken und so war das nun ganz sicher nicht geplant.... ;-)