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Politik und kein Ende ....
Werft Kaviar unters Volk! .... Damit der Pöbel ausrutscht ....
Grafity Berliner Mauer (Westseite) 1985

 

Die griechische Sonne geht mal wieder so kitschig unter, wie fast jeden Tag. Ich sitze auf der Heckterrasse meines Segelschiffs,  trinke was Kühles, lege die neueste Ausgabe der "Zeit" beiseite und es fällt mir auf, dass mir nicht so richtig einfällt, warum sich kein Heimweh nach dem Deutschland einstellen will, das ich vor wenigen Monaten vorläufig und auf unbestimmte Zeit verlassen habe. Ich sage ausdrücklich dem Deutschland. Ich weiß aus der Erfahrung von 47 Jahren, es gibt (oder gab?) auch andere Versionen, aber die sind zur Zeit offensichtlich scheintot oder auch mausetot - jedenfalls konnte ich sie nicht mehr so recht finden und "heimatlos" ist auf einem Segelschiff auf dem Mittelmeer bedeutend lustiger als in einem deutschen Stau auf des "Autokanzlers" (s.u.) Strassen. Aber wenn man nun partout nicht fähig zum Heimweh ist, können ein paar Gedanken zur Bewusstmachung der Gründe ja nicht schaden - und sei es, damit sich keine unterdrückten Seelenkrämpfe einstellen.
Als ich am 11. September 2001 gemütlich bei einem Kännchen Kaffee vor dem Kamin gemeinsam mit der Weltgemeinschaft aller Mediennutzer in Echtzeit zwei Bürotürme in New York zusammenfallen sah (.... kuck mal, da springt einer aus dem Fenster ....), schwante mir Böses. Aber eigentlich nicht viel Böseres, soweit es mich betraf, wie damals einige Zeit vorher, als der deutsche Kanzler meinte, seinen Amtseid ohne "so wahr mir Gott helfe" stemmen zu müssen. Ob er mit dieser Geste deutlich machen wollte, dass er Gott nicht brauche, oder diesen gleich ersetzen wollte um (Zitat) " ... alles besser ...." zu machen, ist mir bis heute nicht ganz klar geworden.

Bei den Bürotürmen war klar, dass man keinen Terroristen in Afghanistan unterstützen kann, solange er ins eigene Spielchen (Russen RAUS!) passt, ohne dass der irgendwann durchdreht und auf ganz entschieden unerfreuliche Ideen kommt, die dann so gar nicht mehr passen. Beim deutschen Amtseid war wiederum klar, dass da nicht nur ein Kinderabzählvers unterschlagen worden war. Ene mene muh und raus bist du - die Regierungsmannschaft agierte umgehend trotzdem wie im Abzählvers, was vermuten lässt, dass da a) etwas falsch verstanden worden, oder b) das Parlament zum Abenteuerspielplatz, wahlweise Kindergarten, mutiert war. Letztere Vermutung bewahrheitete sich, als der frisch gekürte Kanzler als erste Amtshandlung in einer läppischen Spielshow in Begleitung seiner juvenilen Gattin zusammen mit Popsternchen auftrat. Die Bürger staunten und wussten nun, wie lustig Politik ist.

Auch die Kunst möchte da beileibe nicht zurückstehen und politisiert sich zunehmend (Documenta X - "Polietics"), während wiederum in Berlin und Washington klargemacht wird, dass Politik absolut NICHTS mit Kunst zu tun hat - auch nicht mit Staatskunst. Prompt folgen Ereignisse und Reaktionen, mit denen nun weiß Gott kein Staat zu machen ist. Ob nun "Schurkenstaaten" nach Belieben und Ölbedarf ausgewürfelt werden - Deutschland beschäftigt viel lieber in Leitartikeln, wohinein ein eitel-arroganter TalkshowFazke nun wieder seinen Schniedel gesteckt hat. Dass der Schniedel beschnitten ist, hat wiederum nichts mit Staat zu tun - aber mit Politik. Die Kunst findet derweilen als angestaubtes Relikt auf Antiquitätenmessen statt, virtualisiert sich ins Unfassbare oder spielt Schlingensiefsches Laientheater auf der Strasse. Politisches Laientheater natürlich. Und ist damit so sehr "Kunst", wie Politik "Staat" ist. Wenig eben.

Kunst kaputt, Staat kaputt. Was bleibt, ist Politik bis zum Überdruss. Dass diese wiederum nichts mit Führungsqualitäten zu tun hat, zeigt der Zustand von Gesellschaft und Wirtschaft. Liegt die Vermutung nahe, dass, wer´s kann, Staat und Kunst macht, wer´s nicht kann, macht eben Politik.

Der eine in Washington ("Kreuzzug"), der andere in Berlin ("Autokanzler"). Dem einen fällt nichts Besseres ein wie "Kampf der Kulturen", worauf er entschieden unkultiviert vorgeht und zum Ausgleich pietistische Erweckungserlebnisse zur Grundlage seines Handelns erklärt. Der andere erklärt Bentley zu seinem innenpolitischen Konzept und erstreitet gerichtlich eine Haarfarbe. Alles, mit was bis dahin Staat zu machen gewesen wäre, nämlich Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft, gehen dabei ganz nebenbei den metaphorischen Bach hinunter, der nicht einmal mehr Jordan oder Styx heißt, sondern ganz einfach "Bach" - passend zum kulturellen Defizit des nur mehr schemenhaft vorhandenen Staates.

Bei einigen Teilen des Volks, die nurmehr über BILDsprache zu erreichen sind, ging derweilen die erste Generation von Heim-DVD-Playern kaputt und der Nachkauf ist finanziell nicht abgesichert, was ein gewisses Unbehagen auslöste, das den Kanzler fast die letzte Wahl gekostet hätte. Dass nebenbei und außerdem kein Geld mehr da ist für die Versorgung von Alten und Kranken, wurde erst nach der Wahl bekannt gegeben. Aber - ätsch - da war die Wahl ja bereits gelaufen. Das BILD(er)-Volk glotzte so blöd, wie man eben glotzt, wenn man sich lieber mit DVDs statt mit dem richtigen Leben beschäftigt und kam sich zu Recht verarscht vor. Damit keine Missverständnisse aufkommen: "zu Recht" heißt an dieser Stelle nicht, dass dieser Teil des Volkes recht hätte, sondern, dass es ab einem bestimmten Verblödungsgrad geradezu rechtens ist, verarscht zu werden. Das sieht wohl auch der Kanzler so und gibt sich zuweilen staats-tragend - eine leichte Last, da ja fast kein Staat mehr da ist, der zu tragen wäre, aber das bemerkt wiederum das BILDVolk nicht, weil "Staat" nicht auf DVD erhältlich ist und dadurch weitgehend unbekannt.

"Nähre die Kraft deines Geistes, um plötzlichem Unglück gewachsen zu sein" habe ich in einem alten Text gelesen. Leider sind heute ungleich mehr Menschen informiert, als gebildet. Für Information braucht es Fakten, für Bildung Geist, weshalb wir auch in einer Informations- und nicht in einer BildungsGesellschaft leben. Ich habe mir keinen DVD-Player mitgenommen auf mein Schiff, aber ein paar hundert Bücher, die zu lesen in den letzten Jahren keine Zeit blieb, da ich alle Hände voll zu tun hatte, die Katastrophen, die aus des Kanzlers Politik entstanden, wenigstens in meinem persönlichen Umfeld klein zu halten. Nachdem ich mich nun geographisch und existenziell der Politik etwas entzogen habe, hoffe ich, etwas für meinen Geist tun zu können - und sei es nur, ein paar Stunden auf´s Meer zu schauen und meine Gedanken zu ordnen. Vielleicht bin ich irgendwann dem "plötzlichen Unglück" deutscher und anderer Politik so weit gewachsen, dass ich sogar wieder einen Autokanzler ertragen kann, der einen Pietisten-Präsidenten beleidigt macht, dessen Handlanger dann wiederum gleich einen ganzen Kontinent beleidigt ("altes Europa") - Blödmann .... selber Blödmann ...... Kindergarten eben. Einstweilen warte ich gelassen auf´s Heimweh.....