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Nach 4 Wochen Segeln auf der Ostsee ein paar persönliche und subjektive Notizen :

- gute Erfahrungen mit der Varianta65 bis Wind 6 und Welle 1m. Darüber, oder wenn beides
zusammenkommt > HafenTag bzw. Motor - der "leichte" Kiel (280 kg) schränkt ein wenig ein,
andererseits würde mehr Kiel vielleicht zum Eingehen größerer Risiken verführen, was bei der
BootsGröße nicht ratsam erscheint. Segeltechnisch wurde alles ausprobiert, was aus der Kombination
von Sturmfock, NormFock, Genua, Spi und zwei Reffreihen am HauptSegel machbar ist. Besonders nett
vorm Wind: Schmetterling mit ausgebaumter Genua und Bullenstander am Baum. Bei weniger Wind: Den Spi einfach fliegen lassen - real fun. Von der Reaktion bei Herablassen des Schwerts waren wir weniger
begeistert: Bis 1 Knoten BremsWirkung und entschieden mehr Lage, dabei laut GPS keine nennenswerte
Verbesserung bei der Abtrift (eher anfälliger bei Strom) - daher blieb das Teil oft ganz oder halb
eingezogen. Das Bötchen ist sehr durchdacht - auch bei 2 Wochen NonStopTörn ein brauchbares Nest auf
dem Wasser mit viel Stauraum im Vorschiff für 2 Personen. Sehr schön: Der Blick beim Liegen in der
AchterKoje auf den SternHimmel (Schiebeluk war im Hafen meist offen dank Sprayhood) und dass man
nicht im Keller sitzt, sondern freien Blick durch die Fenster hat, wiegt die nicht vorhandene
StehHöhe fast wieder auf.

- Technik: (Edgar, bitte "weglesen"): Der elektronische Barometer mit präziser Anzeige,
MemoryFunktion und 24Std.-BalkenDiagramm war sehr nützlich - auch da noch Hygrometer, Thermometer
und BordUhr raumsparend mit dabei sind. Die Prognosen trafen überwiegend zu. Das SMS-WetterAbo war
ebenfalls sehr hilfreich; TrefferQuoten: Windrichtung ca. 95%, WindStärke ca. 75%, WellenHöhe ca.
60%. Wenn man bedenkt, wie unterschiedlich und kurzfristig die Entwicklungen in der Ostsee
verlaufen, ist das wohl akzeptabel - für die TörnPlanung war´s allemal sehr hilfreich. Kravierende
Abweichungen, die zu gefährlichen Situationen hätten führen können, wurden von uns nicht
registriert. Das innenbords (!) eingebaute Echolot im "Ölbad" funktionierte präzise. Etwas
gewöhnungsbedürftig, aber nicht besonders störend: die 45°- PendelFunktion läuft mit mancher Messung
(besonders bei Lage) ins Leere und zeigt zuweilen für 1 Sekunde "out" an.

- es ist für die wichtigste Seite beim Segeln wohl wirklich nicht notwendig, ein großes Boot zu
segeln. Um Erfahrungen zu sammeln, stelle ich es mir sogar eher hinderlich vor, da Wind und Welle
viel weniger fühlbar (s.u.) sind. Das einzige beim kleinen Boot: Eine weitere mentale Übung >
WartenKönnen, wenn´s zu dicke kommt.

- ich denke, es kommt weniger auf das Schauen und auf das Hören an, um "gut" zu segeln, sondern auf
das Fühlen. Wind, Welle, BootsReaktionen - als Mensch der normaler weise mit visuellen Belangen
beschäftigt ist, war mir diese Übung die wichtigste > Ruder-, Segel- und Bootsbewegungen zu fühlen
und versuchen zu interprätieren. Erst als ich das begriffen hatte, konnte ich anfangen (nicht nur
segeln) zu lernen .... 

- nach 2 Wochen am Stück segeln, schlafen, essen etc. auf einem 6,50m-Boot wirkt bereits ein
WohnMobil wie ein Schloß und man kann sich fast nicht mehr vorstellen, was man zu Hause mit 280 qm
anfangen soll - als ich wieder zurück war, wusste ich´s > unnützen Krempel ansammeln :-(

- das Beste am Meer ist das Meer. Die Peripherie ist dagegen zumeist eher profan (falls man nicht
auch beim 200sten ReedDachBacksteinHäuschen noch in Verzückung verfällt). Dadurch wird es vollends
unverständlich, weshalb Menschen MotorBoote benutzen, um möglichst schnell von einer Seite der
Peripherie zur anderen zu gelangen. 

- soweit ich das von 505, Dehlya und Varianta gelernt habe, ist ein (Segel-)Schiff eine dialogfähige
Persönlichkeit, mit der man stets "im Gespräch" bleiben sollte. Ignoriert man das, wird´s ärgerlich
und/oder gefährlich. 

- falls ich mir wieder mal ein Boot kaufen sollte, weiß ich immerhin schon, wie es lieber nicht
aussehen sollte: weiß mit blauen Streifen (SchlafanzugEinheitsLook). 

- die Schlei ist für einen Binnenländer keine Offenbarung. Fast hätte ich "warum ist es am Rhein so
schön ..." angestimmt > Das Ambiente gibt´s im Binnenland an jedem besseren Fluß oder See. Kein
Horizont weit und breit. Vor dem Schwell an der Ausfahrt zur See muss gewarnt werden - der kann ja
zuweilen krasse Formen annehmen.

- muß man OstseeHäfen gesehen haben? Ja - einen. Alles andere sind Variationen des gleichen Themas.
Wenn schon: Häfen, die "leben", d.h. in denen noch Reste von BerufsSchifffahrt (Fischerei, Fähren,
Handel, Werften) eine gewisse Rolle spielen (Sventborg, Nyborg etc.). Weniger nett: Marinas
(weiß-blaue (s.o.) SchiffsabladePlätze mit CampingPlatzAmbiente). 

- Ärgerlich: Die Regel "Ein Ausweichpflichtiger hat seiner Ausweichpflicht frühzeitig und für den
Kurshalter klar erkennbar nachzukommen" steht zwar in jedem RegelWerk - in der Praxis könnte ich das
Teil jedoch mit Lust jedem zweiten Skipper um die Ohren fetzen. Beinahe-Kollissionen sind vielleicht
für manchen der besondere Kick - ich finde solche Praxis im mindesten Fall grob unhöflich und
unseemännisch (§1 KVR: ".... andere nicht behindern, gefährden oder belästigen ....". )

- nebenbei: wer vom "Hafen der Ehe" spricht, muss eine recht liberale Einstellung zur
Zweierbeziehung haben > aus Häfen läuft man nämlich bei nächster Gelegenheit auch wieder aus. Wenn
dies nicht der Fall ist, handelt es sich um einen SchiffsFriedhof - und DAS kann ja wohl nicht
gemeint sein. So gesehen halte ich den Vergleich mittlerweile für eher unglücklich ... ;-)

- die treffendste BackgroundMusik zu Stimmungen beim Segeln, die mir beim Törn permanent durch den
Kopf ging, ist "A Salty Dog" von Procul Harum in der Version mit dem Edmonton Symphony Orchestra. Da
sind musikalisch fast alle Stimmungen drin vom Aufbruch im MorgenNebel (all hands on deck ....) bis
zum überwältigenden Gefühl, wenn das Schiff bei gutem Wind durch die Wellen "stürmt". Kennt das
Stück noch einer von Euch? (stammt aus den 70ern) P.S.: Bei ordentlich Wind und Welle müsste auch
Conqistador (oder so ähnlich) gut kommen ...

- schönes Erlebnis: als wir morgens ausliefen aus Rudkobing, segelten wir straks in eine eben
beginnende Regatta. Ca. eine knappe Stunde hielten wir brav mit (d.h.: so lange brauchte das Feld,
bis alle an uns vorbei waren - smile); der Letzte riet uns noch fröhlich, wir sollten doch mal den
Anker hochnehmen, was wir mit einem breiten Lächeln quittieren konnten - wir waren beim "DabeiSein"
an UNSEREM Ziel bereits angekommen. Ohne falschen Ehrgeiz aber mit viel Spaß ... :-)))

- wir haben schnell aufgehört, auf HafenEmpfehlungen anderer Segler zu hören. Die Präferenzen sind
halt so unterschiedlich wie die Crews. 

- schön bei einem kleinen Boot: GewichtsTrimm bringt spürbare Ergebnisse. Außerdem macht´s wirklich
Spaß, (selbstverständlich angeleint) auf der hohen Kante zu stehen, sich rauszuhängen und unter sich
die Wellen durchpfeiffen zu lassen. Der TrapezGurt kam noch nicht zum Einsatz - was jedoch ganz
sicher nachgeholt wird (Beschläge müssen noch an den Mast).