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Viele Italienurlauber kennen diese Ansicht, werden sie aber nicht auf den ersten Blick zuordnen können: Fahrt über den Lagunen-Damm von Mestre nach Venedig. Für uns durch zahlreiche Besuche, unter anderem anlässlich unserer Überfahrten nach Griechenland, mittlerweile ein vertrauter Anblick.

 

 

S. Giuliano, 26. Juni 2006

 

Die Positionsangabe verrät es schon: ich bin wieder auf dem Weg nach Süden. Diesmal leider nur "ich", Elisabeth und Pia sind im Norden geblieben - worum ich sie bei 35° lokaler Temperatur (im Schatten!) sehr beneide. Aber die Unity muss nachgeholt werden an unseren neuen Wohnort und der liegt, man mag es kaum glauben ..... am Meer ......

 

Wie im letzten Logbuch erwähnt, haben wir uns noch einmal auf den Weg gemacht, um eine passende Stelle für Elisabeth zu finden. Ich hatte Elisabeth ja versprochen "Wo du hingehst, will ich auch hingehen", auch wenn das Zitat in diesem Zusammenhang theologisch nicht ganz richtig ist. Ganz heroisch hatte ich bei dieser Zusage auch die Möglichkeit einbezogen, dass wir in einer Bochumer Vorstadt oder in "Hinterkleinmegerbein" landen könnten. Also wurden vier weitere vakante Stellen besichtigt: nach dem äußersten Süden (s. Logbuch 28.03.), fuhren wir in die geographische Mitte Deutschlands, dann in den äußersten Westen, dann hoch in den Norden und zuletzt noch in den äußersten Osten. Auf diese Weise durchquerten wir das Land mehrere Male die Kreuz und die Quere - meistens sah es so (oder ähnlich) aus:

Nachdem sich Elisabeth an allen Stellen mit lauteren Absichten vorgestellt hatte, und wir die Wahl unseres neuen Standorts redlich unter die Prämisse gestellt hatten, dass vor allen anderen Kriterien die angebotene Stelle für Elisabeth "passen" sollte, landeten wir zuletzt an einem Ort, der uns vor Erleichterung ein breites Grinsen ins Gesicht pinselte - der Anlass sieht dann so aus:

Weite, Stille, Meer: die Halbinsel Eiderstedt an der Nordsee wird unser neues Zuhause werden. Wir wurden herzlich empfangen, Elisabeth bediente die Orgel wie ein Engel und nach einigen Tagen befand das Kuratorium einstimmig, dass man Elisabeths Dienste als neue Kirchenkantorin gerne in Anspruch nehmen wolle. Das wollten mittlerweile auch noch Andere und boten eine größere Orgel, Hochschulstandort, besser geschulte Chöre - aber wir hatten uns bereits entschieden: wenn möglich, dann hier - und das zu neunundneunzig Prozent, weil eben die Stelle so gut passt ..... ehrlich .....
Also wird der neue Heimathafen der Unity wohl Tönning sein - wenige Kilometer von unserem Wohnort entfernt und in seiner Beschaulichkeit äußerst liebenswert. Vorsichtige Erkundigungen ergaben, dass wohl  ein Plätzchen zu ergattern sei....

Auch ein passendes Häuschen konnte schnell gefunden werden: perfekt von der Lage bis zum Schnitt der Zimmer und vor unserer Terrasse ein Garten, wie er in meinen Augen nicht schöner sein könnte: der Erbauer des Hauses war Landschaftsarchitekt und legte eine kunstvoll arrangierte Wildnis mit vielen verschiedenen Pflanzen, Büschen und Bäumen an. Kein auf "englisch" getrimmter Rasen, kein "Jägerzaun" weit und breit:
Das alles war uns dann doch den Stress eines "Hau-Ruck"-Umzugs vor meiner Abreise in den Süden wert. Ein großer "SiebenFünfTonner"- Lastwagen wurde gechartert, an einem (langen) Tag wurde aus fünf über halb Süddeutschland verstreuten Lagern unsere Habe eingesammelt (inklusive Klavier und Möbeln...), alles nach Norden transportiert, ausgeladen und in der Wohnung verteilt, danach fuhr ich den Lastwagen wieder zurück in den Süden, wo das Wohnmobil wartete. Zweitausendundfünundzwanzig gefahrene Kilometer, im Schnitt vier Stunden Schlaf pro Nacht, in der restlichen Zeit Schleppen und Fahren - dass Elisabeth sich nun ganz gelassen auf den Antritt ihres Dienstes zum ersten August vorbereiten und ich im September "ins gemachte Nest" zurückkehren kann, ist der Lohn dieser Anstrengung.
Natürlich gab es auch besorgte Anfragen, ob unsere neue Dependance nicht allzu weit "abseits" liege. Ähnliche Bedenken wurden jedoch auch vor nunmehr fünfundzwanzig Jahren erhoben, als ich von Stuttgart ins ländliche Dinkelsbühl zog (und selbst dort noch ins Umland). Und? Ich hatte Platz und Ruhe zum Arbeiten, als Resultat hingen wenige Jahre später meine Bilder (oder Kunstdrucke davon) in "aller Herren Länder". Im Rückblick hätte die Ortswahl nicht besser ausfallen können. Abgesehen von beruflichen Gesichtspunkten empfinde ich unsere neue Umgebung unter dem Aspekt der allgemeinen Lebensqualität ohnehin als nahezu perfekt. Vor Jahren resümierte Hans Magnus Enzensberger anlässlich des allweihnachtlichen Kaufrauschs, was heute wirklich als "Luxus" bezeichnet werden kann: Ganz oben in seiner Aufstellung: saubere Luft (Eiderstedt hat Inselklima statt Smog), sauberes Wasser (selbst in Deutschland schwankt die Qualität erheblich), Stille (die Orte ohne Radiogebrüll und Autolärm werden immer weniger) und ... Platz .... (wir haben uns in drei Jahren auf dem Meer so an die Qualität von "Weite" gewöhnt, dass wir sie sehr vermissen würden). Und im Zeitalter von Telefon, Internet, Fernsehen, Radio und Autobahnen ist ohnehin kein Ort mehr "weit weg", aber vieles ist zuweilen viel zu nah gerückt. Ich will als "passionierter Stuttgarter" die Freuden des Stadtlebens gar nicht in Frage stellen - aber wenn ich wählen darf .... durfte ich zwar dieses Mal nicht, um so willkommener ist mir unser "geographisches Schicksal"....

Unter diesen Aspekten sind wir hoch zufrieden mit dem Plätzchen, an das uns Elisabeths Arbeit "verschlagen" hat und so konnte ich mich beruhigt auf den Weg gen Süden machen. Noch ein Mal stand die Fahrt über die Alpen an und während ich Muse hatte, die vielen Ereignisse und Eindrücke der letzten Wochen zu verdauen, genoss ich während einer ruhigen Fahrt das mittlerweile auch schon vertraute Panorama - dieses Mal in sommerlicher Ausführung (in den letzten Jahren fiel der "Heimaturlaub" ja stets in den Winter).

Dieses Logbuch entstand auf dem Parkplatz des Yachtclubs von Mestre "S. Giuliano" in Sichtweite des Damms (s.o.), während ich auf einen Fährplatz zur Überfahrt nach Korfu warte. Dort gilt es dann, die Unity wieder "seetüchtig" zu machen und sie zu Wasser zu lassen. Zum 12. Juli erwarte ich Johannes und Rolf, die mich auf dem Törn nach Marseille begleiten werden. Da ich mein "Arbeitszimmer" stets mit mir führe, wird "nebenbei" wohl noch allerlei "geschafft" und "geschaffen" werden (unter anderem steht der zweite Band der Serie "Abenteuer Aquarell" an....).

Der Himmel über der Halbinsel Eiderstedt. Endlich haben wir wieder Sonnenuntergänge, wie sie die Natur einfach nur über dem Meer "aufführt"....

 

Auch für die Rubrik "Das Letzte" fällt mir noch etwas ein:

Aus dem Autoradio aufgeschnappt zur allgegenwärtigen Fußballweltmeisterschaft: Ein kirchlicher Würdenträger beeilt sich, die Parallelen zwischen Fußball und Religion aufzuzählen: die Rituale, die Gesänge und was auch immer. Der einzige Unterschied der ihm einfällt: dass halt im Ball Luft sei. Und wenn nun Gold drin wär, wärs dann besser? Moses zerschmetterte angesichts des "Goldenen Kalbs" wenigstens noch voller Zorn seine Gesetzestafeln. Der Kirchensprecher antwortet auf die Frage, ob man für den Erfolg von Fußballstars (als den Hohepriestern des Kults) beten dürfe: "Aber JA doch, selbstverständlich!". Nach neuesten Insiderinformationen wird Moses mittlerweile im Himmel als Ventilator benutzt - so schnell dreht er sich in seinem sprichwörtlichen Grab um - und mit ihm die komplette urchristliche Gemeinde, die für die Abgrenzung ihres Glaubens von allem Götzendienst starb und litt. Eine Kirche, die solche Sprecher hat, muss sich ihre Gegner nicht mehr suchen....

Dass die deutsche Nationalflagge, als Symbol für den Kampf gegen Fürstenherrlichkeit, Denkverbote und Kleinstaaterei entstanden, zum läppischen Fanartikel degradiert wird und wie Werbezettel für Putzmittel in jedem Rinnstein liegt, fällt da auch nicht mehr groß ins Gewicht. Dass die Presse diesen Umstand bejubelt, zeigt (wieder einmal) dass Hirnbesitz augenscheinlich kein Einstellungskriterium in dieser Branche sein kann.