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Lefkas, 10. August 2004

Diesmal kein stimmungsvolles Bild der Landschaft vor unserem Bug zum Anfang, sondern zum Thema "Exoten auf freier Wildbahn" der Schnappschuss einer Monstrosität: Ein ganz und gar schwarz gestrichenes Stahlschiff lag für einen Tag neben uns. Schon diese beiden Details sind unter Berücksichtigung der lokalen Sonneneinstrahlung abstrus. Das Innere des Schiffs muss heiß wie der innere Kreis der Hölle sein. Dazu kommt, dass alle Fenster und Luken nachts geschlossen wurden und auch tagsüber nur winzige Schießscharten geöffnet waren. Ohne Klimaanlage. Kein Sonnensegel ist vorhanden, an Deck zu sitzen ist ohnehin unmöglich - es gibt keinen Platz, weil das komplette Schiff mit einem Verhau aus Edelstahlrohren verbaut ist (s.o.). Selbst in Großküchen sichtete ich noch nie eine solch konzentrierte Ansammlung dieses Metalls. Über dem Steuerstand erhebt sich ein Überrollkäfig (falls das Meer mal zubetoniert wird?), der das Schiff vollends den Vehikeln ähnlich macht, mit denen in den "Mad Max"-Filmen der 80er die letzten Exemplare der Menschheit durch ein verwüstetes Endzeitszenario bretterten. So viel martiale Schiffigkeit war nie. Welche Ideen dem Erbauer eines solchen Monstrums bezüglich der Einsatzmöglichkeiten vorgeschwebt haben mögen, lässt sich nur vage erahnen: Kriegseinsatz im Eismeer? Querfeldeinrennen um Kap Horn? Winterliches Kampfsegeln vor Island? Über den Eigner, der diesen Koloss durch mediterrane Bruthitze steuert, um seine Crew darin zu brutzeln, lässt sich jedenfalls mit Bestimmtheit und ganz lapidar eines feststellen: Der Typ hat einen ganz gewaltigen "Hau". Entsprechend verdruckst und unfreundlich war er denn auch. Vielleicht hat er schon einmal zu oft mehr oder weniger verhohlenes Gelächter von Nachbarbooten ertragen müssen...

Lefkas: rechts die lange Hafenstraße entlang des städtischen Kais, im Hintergrund die kommerzielle Marina, links die südliche Fortführung des Kanals.

Wir sind wieder einmal in Lefkas "hängen geblieben". Nicht wegen Reparaturarbeiten wie im letzten Jahr, sondern weil es hier grade so angenehm ist. Über ganz Griechenland brütet eine erbarmungslose Hitze, wie wir den Karten des Griechischen Ozeanografischen Instituts ("Poseidon") im Internet entnehmen können. Einsame Ausnahme: Lefkas - angenehme 27 Grad am Tag, immer frische Winde, abends kühlt es wunderbar ab. Nicht umsonst war Lefkas immer ein beliebtes Seebad, wovon noch heute die Architektur der großen pittoresken Altstadt zu zeugen scheint - sie gleicht der alter französischer Seebäder. Inzwischen konnten wir auch nachlesen, dass die Franzosen einige Zeit hier das Zepter führten - kommt der (ansonsten in Griechenland eher unübliche) Baustil aus dieser Zeit?. Da wir den Hafen inzwischen gut kennen, haben wir unseren Liegeplatz so gewählt, dass der Wind permanent durch eine weite Allee direkt zum Schiff geführt wird und das genau von hinten - keine Sorge um den Anker (außer, wenn Motorbootflegel (s.u.) auftauchen). Außerdem haben wir gratis Strom (ein kleines Wunder) und (bestes Quell-) Wasser (Lefkas ist berühmt durch seine Quellen in den Bergen). Der Liegeplatz ist sowieso umsonst: Wie wir aus gut informierter Quelle erfuhren, ist es den "Port Authorities" in dieser Gegend von den lokalen Behörden verboten, Hafengebühren zu erheben (!). Der Regierungsbezirk Lefkas hat einen Sonderstatus ähnlich wie Bayern und kann daher anscheinend sogar der ansonsten allmächtigen Marine die Stirn bieten. Lefkas wird uns immer sympathischer. Wir hatten bisher eine schöne und erlebnisreiche Saison und haben umgehend beschlossen, hier nun ganz gelassen abzuwarten, bis die Temperaturen auch "im Rest der Welt" wieder angenehmer werden. Einer der Vorteile des Umstands, dass wir hier leben und nicht nur einen kurzen Urlaub verbringen - wir haben Zeit. Später geht´s voraussichtlich wieder Richtung Süden über die Inseln (mit Ausnahme des grausligen Zakynthos), zurück durch den Golf und den Kanal von Korinth, um vielleicht noch kurz auf den Inseln der Kykladen-Gruppe vorbei zu schauen, bevor wir Mitte/Ende Oktober wieder in Kalamata einlaufen.

In der aktuellen Ausgabe der "ZEIT" wurden wir wieder einmal an die Stimmungslage in Deutschland erinnert. Triste Zustände und Perspektiven. Ich denke, dass die Misere weniger aus Geldmangel resultiert. Mit "Sinnmangel" wären die Zustände wohl besser umschrieben. Der Zynismus und Materialismus der letzten Jahrzehnte entlässt seine Kinder und niemand zeichnet dafür verantwortlich. Gerade so, als ob die Defizite einer Naturgewalt anzuschulden wären, die ohne Vorwarnung über das Land gekommen ist. Dabei gibt es keinen geistigen oder moralischen Wert und kein Ideal, das nicht in einer als Liberalismus getarnten Gleichgültigkeit zum Abschuss durch Medien, Politik und Wirtschaft freigegeben worden wäre. Auf allen Gebieten selbsternannte "Meinungsmacher" und Führer, die letztendlich nur der eigenen Eitelkeit, Machtgeilheit und Raffgier verpflichtet sind und sich nun aus ihrer Verantwortung stehlen. Sie könnten wohl das Desaster mit ihren Mitteln ohnehin nicht beheben. Solange in Deutschland Eigeninitiative und Idealismus nicht stärker unterstützt werden und solange mit mechanistischen "Gießkannen-Lösungen" operiert wird, wird das wohl nichts. Wir segeln hier einstweilen mit unserem Schiffchen auf dem Meer herum wie eine kleine Arche Noah, auf die wir unsere Überzeugungen und Ideale gerettet haben und warten auf einen guten Zeitpunkt, um über die Kanäle mit dem Schiff nach Deutschland zurückzukehren. Bis jetzt ist dieser Zeitpunkt aber noch nicht in Sicht. So genießen wir eben die Zeit hier und versuchen sie möglichst sinnvoll zu nutzen.

Noch ein paar Spots von der "Motor-Front": Im Kanal von Lefkas gilt aus guten Gründen für alle Schiffe eine Geschwindigkeitsbeschränkung von vier Knoten. Der ca. 8 Kilometer lange Kanal ist rechts und links von gefährlichen Untiefen gesäumt und beim Befahren ist höchste Konzentration gefordert. Alle halten sich daran - nur eine riesige Motoryacht musste bei unserer vorletzten Passage in der Mitte mit überhöhter Geschwindigkeit durchdrängeln wodurch sie die anderen Boote in die Nähe der gefährlichen Untiefen abdrängte und mit ihrer riesigen Bugwelle gefährdete. Bei der letzten Passage waren es dann kleinere Speedboote, die sich im dichtesten Verkehr mit ungefähr dem Zehnfachen der erlaubten Geschwindigkeit ausgerechnet im Kanal ein Rennen (!) liefern mussten. Abends saß dann auch prompt ein älteres englisches Ehepaar mit ihrer Klassiker-Yacht direkt vor dem Hafen auf Steingrund - abgedrängt von einer Motoryacht, die sich natürlich nicht um den angerichteten Schaden kümmerte und längst außer Sicht war. Einen Tag später fuhr eine andere Yacht mit weit überhöhter Geschwindigkeit entlang des dicht belegten Hafenkais, um die Öffnung der Drehbrücke nicht zu verpassen. Das bedeutete, dass ca. 50 Yachten entlang des den Kanal säumenden Stadtkais von mehreren Wellen getroffen wurden, wie man sie an Wucht und Höhe sonst nur bei schwerem Sturm auf offenem Meer erlebt - nur hat man da nicht unmittelbar hinter dem Heck eine Steinmauer und ist auch nicht mit Leinen fixiert, die bei dem Geschaukel fast die Festmacherklampen an Deck aus ihrer Verankerung reißen. Mehrere Yachten wurden beschädigt. Wäre zufällig ein Skipper im Wasser gewesen, um an Schiffsrumpf, Ruder oder Schraube etwas nachzuschauen oder zu richten, hätte er sich ohne Vorwarnung von einer Sekunde zur nächsten zwischen den wild schlingernden Bootsrümpfen in höchster Lebensgefahr befunden. Der Raser konnte identifiziert werden und wird nun von einer englischen Crew wegen erheblicher Schäden an ihrer Yacht belangt. Wir stellten uns selbstverständlich mit Vergnügen als Zeugen zur Verfügung und erwägen, uns gegebenenfalls der Klage wegen einiger kleinerer Schäden anzuschließen. Motoryachtfahrer lassen in der Mehrheit wirklich keine Gelegenheit aus, um sich als paranoide Flegel zu profilieren. Es bleibt nur, einen griechischen Segler gegenüber einem griechischen Motorskipper in Aigina zu zitieren: "YOU ARE A SHAME FOR THE HUMAN RACE!". Sic! Hit! Touché! - mehr ist dem nicht hinzuzufügen.