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"Discovery" (Mischtechnik Aquarell / Tuschen / C-Print und Kreiden auf Papier 1998)

 

Logbuch 06. April 2005

 

Der Frühling lässt sich noch immer recht kühl an, was sogar einige Erkältungsfälle unter den hiesigen Yachties zur Folge hat. Die meisten Frühstarter haben weise beschlossen, doch noch ein paar Tage im Hafen anzuhängen. Wir haben unseren Start wegen der Reise nach Deutschland ja ohnehin bis Ende April / Anfang Mai verschoben, was sich inzwischen auch unter seglerischen Aspekten als richtig erweist. Also habe ich die letzten Tage, die wir noch in Kalamata verbringen, recht sinnvoll damit verbracht, mir selbst etwas zu beweisen:
Vor neun Jahren gab nach einigen Tausend Bildern, Studien, Skizzen und Gemälden mein rechter Arm fast ohne vorherige Alarmzeichen auf, nachdem ich ohne Pause eine Serie großformatiger Tafelbilder in Akryltechnik auf Holz über die Dinkelsbühler "Kinderzeche" gemalt hatte. Danach war es mir ein Jahr lang nur unter Schmerzen möglich, auch nur eine Unterschrift zu leisten. An den Kraftakt eines kompletten Bildes war vorläufig nicht mehr zu denken. Also machte ich diese Not zur Tugend und entwickelte einen völlig neuen Stil, der nichts mit meiner aufwändigen handwerklichen Arbeitsweise gemeinsam hatte - dafür jedoch technisch sehr viel Aufwand erforderte. Eine "Maus" konnte ich noch bedienen, also nutzte ich die beeindruckende Präzision, die inzwischen mit moderner Computertechnik möglich war. Es entstanden streng durchkomponierte Serien wie "The Lord of Silence" oder "Montalban".
Dann war jedoch erst einmal aus ganz anderen Gründen Schluss: Die allgemeine wirtschaftliche Lage und damit einhergehend eine schwierige Situation bei Kunstverlagen und im Kunsthandel bewogen mich, endlich einmal den über 20 Jahre aufgeschobenen Urlaub zu nehmen, da ich vermutete, für eine gewisse Zeitspanne in Deutschland ohnehin nichts wirklich Wichtiges zu verpassen. So kann man auch auf ein Schiff kommen....

Bis mich vor wenigen Wochen das Mail eines sympathischen jungen Mannes erreichte, der wollte, dass ich ihm ein Bild male. Ein ganz spezielles. Ein metaphorisches "Portrait" von sich und seiner zukünftigen Gattin. Als Geschenk an diese zur Hochzeit. Ich hatte schwerste Bedenken und, zugegeben, einfach auch Angst davor, wieder zu Pinsel und Stiften zu greifen. Würde mein Arm das mitmachen? Konnte ich noch so komplexe Bildkompositionen wie früher "durchziehen"? Nach all den Jahren, in denen ich fast nichts mehr gemalt hatte, war ich mir höchst unsicher, was passieren würde. Aber das Thema war interessant und nach dem Studium von zwei Seiten Text, in dem das junge Paar aus der Sicht des Auftraggebers ausführlich beschrieben wurde, machte ich mich an die Arbeit. Zuerst die Suche nach passenden metaphorischen Motiven, dann Kompositionsskizzen und zuletzt die Ausführung. Zu meiner Überraschung klappte alles. Anscheinend ist Malen wie Fahrradfahren: Man verlernt es nicht so schnell. Auch meinem Arm scheint die Pause gut getan zu haben.

Warum nun die linke Hälfte des "Paares" mit einer schwungvoll ausgeführten Schnecke "beschrieben" wird, Lilienblätter die Form konterkarieren, ein Lot und ein Anker die Basis bilden oder warum auf der anderen Seite ein fröhlicher Elefantengott vielarmig und mit Schmetterlingsflügeln ausgestattet über einem Schachbrett thront, wird nicht verraten, da das nur die Sache der Portraitierten ist. Aber das Bild zeige ich an dieser Stelle mal - es wird wohl die einzige Gelegenheit sein, es einmal "öffentlich" auszustellen:

Farbliche Darstellung, Kontrast und Hell-/Dunkelwerte können sich bei verschiedenen Browser- und Bildschirmtypen vom Original unterscheiden.

 

Es hat mir Freude gemacht, das Motiv zu entwickeln und auszuführen. Portraits dieser Art empfinde ich viel anregender und aussagekräftiger, als ein "abgemaltes" Gesicht. Für letzteres braucht der Portraitierte nur seine Nase dem Portraitisten entgegen zu halten. Für ein Portrait wie das oben abgebildete braucht es eine Persönlichkeit, deren Attribute über "mein Auto, mein Haus, meine Yacht" hinausgehen. Natürlich portraitieren auch solche Dinge unter Umständen einen Menschen, wenn sie die Hauptmerkmale seiner persönlichen Selbstidentifikation sind. Bereits in früheren Zeiten ließen sich Fürsten mit ihrem Lieblingspferd abmalen. Aber, pardon, das empfinde ich als langweiliges Imponiergehabe.

Vor einigen Jahren entdeckte ich, dass an seriös betriebener Astrologie (ja - nach meiner Meinung, Recherche und Erfahrung gibt es das) "etwas dran" ist und fertigte Portraits aus den Eigenschaften, die den jeweiligen Sternzeichen zugeordnet sind. Dass man mit diesem Spiel aus Zeichen, Metaphern und als Metaphern benutzten Gegenständen und Formen auch Personen weit über die Oberfläche ihres Gesichts hinaus mit einem listig - lustig - verrätselten Spiel portraitieren kann, ist eine attraktive Idee, die mir gefällt. Ich habe bisher außer in einem Fall, der mich nicht sehr glücklich gemacht hat, grundsätzlich Portraitaufträge abgelehnt. In der oben abgebildeten Art jedoch könnte ich mir die Entwicklung und Ausführung weiterer Portraits vorstellen. Der Portraitierte wird nicht bloßgestellt und das Bild lädt zu lustvollen Spekulationen über das Wesen des Portraitierten ein. Voraussetzung dabei ist jedoch ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Portraitisten. Und natürlich die "Substanz" einer selbstreflektierten Persönlichkeit.

Eine Serie, die ich jetzt ebenfalls in Angriff nehmen will, soll sich mit dem Meer und der Seefahrt beschäftigen, wobei ich auch dieses Thema nicht "einfach malen", sondern ebenfalls als Metapher gestalten möchte, wie das Motiv am Seitenanfang. Ich habe mir Zeit mit dem Beginn dieser Serie gelassen. Einerseits, weil ich der Belastungsfähigkeit meines Arms noch immer misstraute, ein anderer Grund lag darin, dass ich stets Wert darauf lege, das Thema, mit dem ich mich jeweils in meinen Bildern beschäftige, in einer gewissen Tiefe erfasst zu haben. Nach zwei Jahren "See-Leben" ist das inzwischen bis zu einem gewissen Grad der Fall...

 

Kompositionsskizze

 

Noch ein kurzes "P.S." zu meinen Ausführungen der letzten beiden Logbücher: Nein, ich will ganz sicher nicht zum Royalismus zurück, auch wenn "Demokratie die Diktatur der Masse" ist, wie mir ein lieber Freund aus der Schweiz dazu schrieb. Aber angesichts der gegenwärtigen Situation in Deutschland kann (ich denke sogar muss) man sich wohl einige Gedanken zu "Ursachen und Nebenwirkungen" machen. Auf jeder Zigarettenschachtel wird uns wichtigtuerisch und oberlehrerhaft ungebetene Nachhilfe gegeben - vielleicht sollte man Beipackzettel ähnlicher Art auch manchen politischen Entscheidungen beifügen. Friedrich Nietzsche vermerkte seinerzeit: "Zur Humanität eines Lehrers gehört es, seine Schüler vor sich zu warnen.". Wäre zu überlegen, was wir unseren Politikern als humanistische Geste nahe legen könnten ...