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Lob des Kirchenchors oder: Es ist eine Lust ....

 

Der Sopran pennt! Voll den Einsatz verpasst, weil mal wieder so viel zu besprechen war. Die Pfarrerin mit der Gemeinderätin, die Frau Tierärztin nach beiden Seiten und die jungen Damen links außen auch ganz dringend. Ob das Besprochene immer die musikalischen Herausforderungen des aktuell zu probenden Stücks betrifft, wird allerdings vom Bass argwöhnisch bezweifelt. Dabei können die Mädels doch – oder könnten, um beim Konjunktiv wünschenswerter Wahrscheinlichkeiten zu bleiben. Das haben sie nun mal dummer Weise verschiedentlich unter Beweis gestellt und jetzt wird eine vergleichbare Leistung eben erwartet. Zumindest von den Herren im Bass - die sich durch einen kritischen Blick der Kantorin in ihrer rechtschaffenen Entrüstung bestärkt sehen.

Immerhin steht der Sopran stets vorne dran und zwitschert die Leitmelodie, soll er also bitteschön auch was dafür tun, der Sopran, pardon, die Sopran, um das politisch korrekt auszudrücken. Oder Sopranin.... Sopraninnen? .... Sopranösen? ..... Soprösen? Die Welt ist zuweilen so kompliziert wie eine Zwölfton-Messe. Aber zum Glück geht’s grade eher um was Harmloseres vom Zeitgenossen Rutter. Und das soll eben zwischendurch im Wechsel gesungen werden. Mal Alt, mal Männerstimmen, mal Sopran. Wenn sie den wollten – die Soprösinnen. Beim nächsten Anlauf klappts dann und – Ahh – Jaaaa! Welcher Wohlklang im Rhythmus der wechselnden Stimmen! Die Idee des Komponisten entfaltet sich Stück für Stück, auf die Gesichter legt sich eine Mischung aus linder Begeisterung und Konzentration. Nach dem Schlußtakt zwei Sekunden ergriffene Stille. Das waren wir! Blick zur Kantorin: Mmmmnnnjaaaa, das - war - schon - gar - nicht - ganz .... schlecht. Gefolgt von: "...aber der Alt könnte in Takt 36 noch etwas ..." und ".... der Bass sollte beim Lauf in Takt 68 darauf achten ....". Und das wird dann auch gleich noch einmal im Detail durchexerziert.

Nächster Durchlauf. Alle Einsätze sind da (!), der Alt (oder die Altessen?) kann in Takt 36, der Bass achtet in Takt 68 und nach dem Schlussakkord sind alle zufrieden – alle – selbst die Kantorin sagt nix mehr, was allgemein als gutes Zeichen gewertet wird, sodass daraufhin alle ganz schnell was erzählen müssen. Nach rechts, nach links, nach sonstwohin. Auch unser funkelnagelneuer Startenor erteilt ausführlich wohlmeinende Tipps an die Damen rechts und links. Bis die Kantorin dasteht wie ein Meter und achtundfünfzig Zentimeter (mindestens) fleischgewordene Missbilligung.

Stimmt, wir wollten ja noch was singen. Alle blättern eifrig und etwas ratlos im Notenordner, weil mindestens 86 Prozent der Belegschaft nicht mitbekommen hat, was als nächstes zur Debatte steht. Aber zuletzt hat´s dann doch jede und jeder gefunden. "Cantate Domino" – klingt doch gleich viel vornehmer als "singt dem Herrn". Ist ja auch was Klassisches. "....omnis angelis...". Der Sopran schwingt sich wirklich wie alle Engel in die Höh inclusive Pastorin und Gemeinerätin, die Nachwuchsfraktion links außen berechtigt eindrucksvoll zu den schönsten Hoffnungen, der Tenor assistiert begeistert, sodass der Bass umgehend das komplette Kerbholz der Soprösinnen ins Reich des Vergessens entsorgt und sich nur noch mit freundlicher Begleitung der Altessen darum bemüht, eine gehaltvolle Basis mit wohl dosiertem Klangvolumen unter den Engelsgesang zu breiten. Bei so viel Halleluja ist ein Wohlgefallen allen Menschen guten Willens unausbleiblich.

Wenn alles gut geklappt hat, ist jedermann und jede Frau am Ende wohlig ermattet, atemtechnisch und stimmlich trainiert, eine Lektion Gruppentherapie gabs gratis obendrein und das gemeinsam errungene Erfolgserlebnis harmonisch produzierten Wohlklangs trägt nicht unwesentlich zur entspannten Milde des allgemeinen "tschü-hüüüss bis zum nächsten Mal" bei. Wobei das nächste Mal ja auch der nächste Sonntagsgottesdienst sein kann. Und weil der geistlich ist, scheiden sich an dem – nomen est omen – eben bei manchen Menschen auch die Geister.

Warum das so ist, bleibt allerdings oft etwas unklar. Da steht die Frau Pastorin, angetan mit freundlichem Lächeln, würdigem Talar und züchtig gebundenem Pferdeschwänzchen und macht aus der Tiefe des Raums unserer kulturellen Grundlagen heraus ein paar durchaus bedenkenswerte Vorschläge zur geglückten Lebensführung. Kann man sich eintun oder nicht. Immerhin: viele Menschen legen andernorts für ähnliches ein paar hundert Euro auf den Tisch irgendeines Hauses, nur dass das Gebotene dann als "Fünf Wege zur emotionalen Intelligenz" daherkommt oder "Der tandrische Weg zum Tao". Und das ohne jede Qualitätskontrolle: Wenns Bockmist war – Pech gehabt. Was ist dem gegenüber an "15 Minuten freundlichem Rat zum Sonntagmorgen" einzuwenden? Ansonsten wird gesungen und allerlei weihevoll Rituelles aufgeführt. Das kann man dann wörtlich nehmen, oder so, wie´s zuweilen gemeint ist, nämlich symbolisch. Was dann auch schon wieder kreativen Spielraum dafür lässt, dass eben jeder nach seiner Fasson selig werden darf. Jedenfalls ward nirgends auch nur ein Abglanz von Höllenfeuer und kein Rüchlein vom Schwefel angedrohter Verdammnis gesichtet. Der Chor hat zwei Mal Wohlklang gestiftet, die meditative Stunde lud zu positiven Gedanken ein. Und wenn als Ergebnis persönlicher Meditationen mal nur der Entschluss ersprossen ist, wie nächste Woche der Gartenzaun gestrichen werden soll – nun denn, auch dies kann unter Berücksichtigung des visuellen Wohlergehens von Nachbarn und Passanten eine durchaus lebens-sinnige Angelegenheit sein.

In diesem Sinne – tschüss dann bis zur nächsten Chorprobe mit "Soli deo gloria" .... und allem was dazugehört.

 

Bild: St. Christian, Garding

Weitere Bemerkungen zum Thema "Chor" finden Sie im Tagebuch vom Januar 2007, letzte Abschnitte

Mal ganz im Ernst: Einige gute Gründe in einem Kirchenchor mitzusingen

Hintergrund ( für alle, die zum ersten Mal auf diesen Seiten sind): 2006 kam der Verfasser dieser Zeilen mit seiner Gattin Elisabeth nach Garding, wohin letztere ein Engagement als Kirchenmusikerin rief. Da es in den zu betreuenden Chören an Bässen mangelte, besann sich der Kantorinnengatte darauf, als Teenager vor 35 (!) Jahren in einer renommierten Kantorei mitgewirkt bzw. Gesangsunterricht genossen zu haben. Wider eigenes Erwarten gelang die stimmliche Reanimation trotz der langen Pause und bereitet seither allen Beteiligten viel Vergnügen....

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Copyright auf das Text- und Bildmaterial: Elisabeth (Bilder) & Thomas (Text) Weisenberger