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14.01.2015: ein P.S. mit den "Goldenen Regeln der Pressearbeit"

 

"Lügenpresse"

Das Unwort des Jahres 2014 - und ein paar Erläuterungen zur Funktionsweise

 

 

Die Abbildung oben zeigt ein „schönes“ Beispiel für eine tendenziöse oder zumindest schlampige Berichterstattung, die mehr in die Irre führt als aufklärt und informiert: e-book-reader mit e-ink-Display wurden speziell dafür konstruiert, dass sie ohne „interne“ Beleuchtung betrieben werden können – eben weil der Akku dann wochenlang hält und das die Augen nicht so anstrengt. Hintergrundbeleuchtete e-books wiederum machen nur einen winzigen Bruchteil der Produktion aus und sind „im Sinne des Erfinders“ eine Fehlkonstruktion und in jeder Hinsicht schlechter als ein Tablett-Computer, den man auf „invers“ stellt (weiße Schrift auf schwarzem Grund), womit alle beschriebenen Probleme nicht oder kaum auftreten (Akku hält auch relativ lange, Licht ist im normalen Helligkeitsbereich). Ansonsten (ohne die völlig verzichtbare Beleuchtung) bietet ein e-book-reader weiterhin alle bekannten Vorteile: eine Bibliothek von Büchern immer griffbereit, leicht, handlich, stromsparend, langlebig. So – WHAT? Versucht die Buchbranche mit solch irreführenden Schlagzeilen längst verlorenen Boden doch noch wieder gut zu machen? Wäre das e-book eine Person, könnte diese mit guter Aussicht auf Erfolg eine Klage wegen verleumderischer Nachrede anstrengen. Zumal das beschriebene Licht-Phänomen absolut nichts neues, sondern bereits seit Jahrzehnten in der Chronobiologie (Wissenschaft von den Zeitabläufen in biologischen Prozessen) bekannt ist.

Da ich weder Hersteller noch Verkäufer von e-book-Readern bin, könnte mich der (nicht nur?) knapp an der journalistischen Seriosität vorbei schrammende Artikel kalt lassen. Wäre da nicht die Tatsache, dass bei den Berichterstattungen der letzten Wochen über teilweise hoch sensible Themen eine sehr ähnliche Vorgehensweise zu beobachten war: Ein Teilaspekt des Themas, der dessen Kern und Wesen eigentlich höchstens streift oder gar völlig unwichtig bis irreführend ist, wird zur Schlagzeile gemacht und in großer Aufmachung thematisiert. Wer die Schlagzeile liest, wird von vorn herein auf ein wenn nicht völlig, dann doch ziemlich falsches, „Geleis“ geführt. Angesichts dessen, wie viel in den letzten Wochen in Presseartikeln absichtlich missverstanden oder falsch oder tendenziös formuliert wurde, muss sich kein Presseorgan mehr wundern, wenn viele Menschen keiner Berichterstattung und schon gar keinem Kommentar mehr trauen, auch wenn „Lügenpresse“ unglücklich gewählt ist, da politisch/geschichtlich stark vorbelastet – und ich kein Fan der Urheber bin (muss wohl extra erwähnt werden, um allzu eilfertigen "Nazis raus"-Polemikern vorzubeugen). Dass das Wort nun jedoch von einigen Sprachwissenschaftlern zum „Unwort des Jahres“ gekürt wurde, lässt mich sehr ambivalent zurück: das Wort drückt aktuell aus, was viele Menschen über in ihren Augen tendenziöse Presseberichterstattung denken. Anstatt sich nun vielleicht einmal eines Hauchs von Selbstkritik zu befleißigen, wird „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres gekürt. Und: ja – ein Journalist saß auch im Gremium. Im Stil des Bezug genommenen e-book-Artikels könnte man nun schreiben: „JOURNALIST KÜRT „LÜGENPRESSE“ ZUM UNWORT DES JAHRES!“ Das würde mir grade sehr gut in meinen Text passen, da das subjektive Eigeninteresse des Journalisten auch dem dümmsten Leser sofort ins Auge springen würde. Und es wäre ja nicht einmal falsch: es gibt den Journalisten ja wirklich im Gremium. Dass jedoch auch noch vier Sprachwissenschaftler mit von der Partie sind, kann ich ja ganz am Rande, ganz unauffällig und/oder ganz zum Schluss erwähnen – oder einfach „vergessen“.

Wenn die etablierte Presse ein solches Vorgehen weiter verfolgt, muss sich niemand wundern, wenn die Leser immer mehr die Lektüre „freier Blogger“ bevorzugen: die machen sich zumeist wenigstens ehrlich, „wes Geistes Kind“ sie sind (oder behaupten zumindest nicht „unabhängig und überparteilich“ zu sein, auch wenn sie (die Blogger) es oft mehr sind, als mancher Lohnschreiber). Und wenn man dann zu einem Thema ein paar Blogs von verschiedenen Seiten gelesen hat, kann man sich sein eigenes Bild machen. Zumindest eine attraktive Möglichkeit für „Selbstdenker“, wenn Teile der etablierten Presse es weiter bevorzugen möchten, ihre Leser, pardon, zu.... verarschen.

Wie gut klingen schlechte Musik und schlechte Gründe, wenn man auf einen Feind los marschiert! (Friedrich Nietzsche)

Wer den Bezug genommenen e-book-Artikel nachlesen will – hier kann er/sie das tun:

Artikel "e-book" aus der Schleswig Holsteinischen Zeitung vom 13. Januar 2015

 
Nachtrag 08.02.2015 > Die Wirklichkeit hat meine Einlassungen ganz schnell eingeholt: auch wenn von einem "Recherchefehler" gesprochen wird (???) > dass ausgerechnet die "Heute Show" durch exakt dieses Weglassen eines wichtigen Details wie ich es oben beschrieben habe, eine Politikerin der Linkspartei zu einer Rechtsradikalen abstempelte, war - schon etwas mehr als "nur" peinlich.

 

P.S.:  Die 12 Goldenen Regeln der Pressearbeit, Herausgeber: Bundespresseamt am 08.01.2015
1. da ab jetzt alle Begriffe, die vom Naziregime oder anderen missliebigen Gruppen und Organisationen missbraucht wurden, aus dem deutschen Sprachgebrauch gestrichen werden, muss ab sofort die Amtssprache Deutschlands in "Französisch" geändert werden, um die sprachliche Verständigung auch weiterhin zu gewährleisten.
2. wenn jemand, der lügt, sagt: "alles gelogen!" - ist es dann richtig oder falsch? Diese Frage wird aus dem philosophischen Kanon ersatzlos gestrichen.
3. wenn fast flächendeckend Einmütigkeit und Einstimmigkeit in den Medien (egal welcher postulierten Ausrichtung) bei der Bewertung einer zumindest zwiespältigen Sachlage herrscht - sind *alle* grundehrlich.
4. wenn Millionen "Hüh" schreien, ist "Hott" selbstverständlich falsch.... (je suis .... wasauchimmer...)
5. je größer ein Blatt ist, umso wahrer ist, was drinsteht
6. es war in der Geschichte noch nie der Fall, dass Minderheiten oder gar Einzelne angesichts eines übermächtigen "Mainstreams" Dinge im richtigen Licht erkannt haben.
7. es ist nicht opportun, zu behaupten, dass die Presse lüge - es ist nur opportun, dass die Presse andere als Lügner bezeichnet.
8. wenn eine Zeitung getreulich wiedergibt, was ein Regierungsmitglied sagt, ist diese Aussage immer wahr und richtig, die Zeitung hat ohnehin grundsätzlich als unabhängig zu gelten.
9. da die Bundesregierung die Meinungsfreiheit eines blasphemischen französischen Hetzblatts zur Staatsraison erklärt hat, ist ab jetzt im Sinne der Gleichstellung aller Bürger als unveräußerliches Grundrecht  jede noch so verletzende und diffamierende Veröffentlichung erlaubt, wenn sie qua Selbsteinschätzung der Verfasser/Urheber als Satire gekennzeichnet ist.
10. Der 1. April wird ab sofort zum Staatsfeiertag erklärt und über das ganze Jahr ausgeweitet. (nous sommes tous de la première Avril - kurz: NSA).
11. Alles, was auf Französisch geschrieben wird, ist ab sofort sakrosankt (s. Punkt *1*)
12. Wenn ein Blatt von Publikum, Staat und Wirtschaft mit Spenden überhäuft wird, muss es weiterhin als "unabhängig" angesehen werden. Alle Äußerungen des Blattes gelten in diesem Fall als "Common Sense".
 

 

Copyright 09.01.2015: Thomas Weisenberger. Zitate und Veröffentlichungen bedürfen, auch auszugsweise, der Zustimmung des Autors.