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Nachtrag Februar 2015: Zwei Bemerkungen zur Geschichte Griechenlands

 

 

Griechenland – was wir erlebt haben

 

Die im Folgenden geschilderten Beobachtungen sind selbstverständlich subjektiv. Wir haben sie gemacht, während wir von 2002 bis 2006 auf einem Segelschiff in griechischen Gewässern (Ionische und Ägäische See) gelebt haben. Wir sind damals überaus positiv gestimmt (!) aufgebrochen und haben tausende Seemeilen entlang der Küste und zwischen den Inseln zurückgelegt in fast allen Teilen des Landes und wir haben uns nicht nur für Sehenswürdigkeiten, sondern ganz besonders für die Situation des Landes (auch „binnen“ landeinwärts) und seiner Menschen interessiert. Wir haben beobachtet, uns informiert und uns regelmäßig mit Einheimischen und Ausländern, die lange in Griechenland gelebt haben, unterhalten. Unser Fazit während der vier Jahre fiel allerdings zunehmend skeptisch aus. Am Anfang wurden wir dafür in Deutschland heftig kritisiert: „Lasst doch die netten Griechen in Ruhe“ - überwiegend motiviert durch die wenig repräsentativen Urlaubserlebnisse weniger Tage oder Wochen. Oder wir wurden ermahnt, als "Gäste" doch bitteschön etwas freundlicher zu sein: wir ließen für unser „Gastrecht“ jährlich eine fünfstellige Eurosumme im Land – allzu viel Zuvorkommenheit haben wir dafür nicht erlebt. Später wurden die Kritiker immer leiser. Ein Dokumentarfilmer, der für das ORF arbeitet und unseren Aussagen anfänglich sehr kritisch gegenüber stand, berichtete ehrlicher weise später von britischen Journalisten-Kollegen, die erstaunt über unsere Weitsicht waren und darüber, dass wir bereits 2003 warnten: „Das geht schief in Griechenland“. Hier in loser Reihe einige unserer Beobachtungen (und Erzählungen von Griechen), die wir 2002 bis 2006 gesammelt haben:

- Schulwesen: Bestechung scheint in griechischen Schulen gängige Praxis zu sein. Die Lehrer äußern ganz offen in der Klasse, welche „Transferleistungen“ sie exakt von welchen Schülern (bzw. deren Eltern) erwarten. Dabei ist das Schulsystem so schlecht, dass überall eine Vielzahl kommerzieller Paukschulen existiert, in denen (gegen saftige Bezahlung) nachgeholt wird, was die offiziellen Schulen nicht zu leisten vermögen.

- auch in den Behörden wird kräftig abkassiert: wer z.B. einen Pass möchte, sollte möglichst mit den Antragsformularen einen Geldschein (üblich: 50,00 € pro Vorgang - neben den offiziellen Gebühren) abgeben – sonst wartet er vergeblich auf seine Papiere. Bei Bauanträgen, Gewerbeanmeldungen etc.: ähnliches Procedere ("natürlich" mit entsprechend höheren Summen).

- in Griechenland einen Beleg oder eine Rechnung für Handwerker-Leistungen zu bekommen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Teilweise werden Aufträge lieber nicht angenommen. Kostenvoranschläge werden als unanständiges Anliegen beleidigt verweigert (die Forderungen danach: entsprechend...).

- überall stehen viele Meter hohe Schilder in der Landschaft mit riesigen Summen (oft dreistellige Millionenbeträge), die die EU für irgendwelche Projekte vor Ort bezahlt hat. Oft sind es schon wieder im Verfall befindliche Hotel-Rohbauten, Sportstätten, Häfen etc. Es wird exakt so viel gebaut, wie Geld von der EU fließt. Dann wird aufgehört. Und wenn dadurch alles gleich wieder kaputt geht. Die Bauwirtschaft hat verdient – ob das Projekt auch sinnvoll war, ist ganz offensichtlich zumeist nicht Teil der Überlegungen.

- der (Aus- oder) Neubau tausender Häfen wurde unterstützt, um die Fischerei zu subventionieren und den Yacht-Tourismus zu fördern. Es gibt jedoch durch völligen Raubau in der Vergangenheit kaum mehr Fische in griechischen Gewässern. Wer jedoch ein Fischerboot besitzt, wird subventioniert. Also liegen in vielen Häfen hunderte von ungenutzten Booten, die langsam vergammeln und jede Anlegemöglichkeit versperren. Aber für jedes Boot werden Subventionen gezahlt. Wenn die Boote fast vergammelt sind, werden sie neu aufgeplankt: solange auch nur eine Originalrippe des alten Bootes mit eingebaut wird, gilt die Subventionsberechtigung weiterhin.

- Griechenland hat ohnehin wenig Interesse, die Häfen (meist nur halbfertige Hafen-Bauruinen) ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch zuzuführen: wenn mit den Häfen Geld verdient würde, müsste Griechenland beginnen, die empfangenen Subventionen zurück zu zahlen. Also werden selbst die wenigen komplett fertig gebauten Häfen „einfach“ nicht in Betrieb genommen. Die beteiligten Baufirmen und Handwerker haben an der Erstellung verdient – das reicht. „Fremde“, die mit Yachten anlegen wollen, sind ohnehin oft eher unerwünscht.

- auch allgemein ist die Fremdenfeindlichkeit selbst in Touristengebieten sehr deutlich ausgeprägt (Pauschaltouristen in Hotels und Touristen-Tavernas bekommen davon eher wenig mit). Besonders krass erlebten wir dies auf den Inseln der Sporaden (z.B. Skiatos). Bei Spaziergängen, selbst in Fremdenverkehrsgebieten, wurden wir „ohne Vorwarnung“ mit einem Bierkrug beworfen, beschimpft und bedroht. In einem Hafen wurden wir von Jugendlichen unter den Augen von einheimischen Erwachsenen, die nicht eingriffen, so lange drangsaliert, bis noch weitere Yachten einliefen und die jungen Randalierer sich nicht mehr trauten. Eher lästig, aber symptomatisch und oft erlebt: wenn wir in Läden oder bei Straßenhändlern etwas kauften, kostete z.B. der gegrillte Maiskolben, der an Einheimische zuvor für 50 ct. abgegeben wurde, für uns plötzlich 2 Euro. „Neutrale“ Preise waren oft nur in Supermärkten zu bekommen. Hier wiederum passierte es laufend, dass sich die Kassiererinnen verrechneten, oft umfangreich zu ihren eigenen Ungunsten (!). Am Anfang reklamierten wir das ehrlicherweise, wurden dann aber oft so scheel angeschaut, als versuchten wir zu betrügen. Irgendwann packten wir die übersehene Getränkepalette (Wert: 15,00 €), die nicht berechnete Packung Nudeln etc. „einfach“ kommentarlos ein. Rechnen, selbst in Grundrechnungsarten, wird nach unserer Beobachtung ohnehin oft wenig oder gar nicht beherrscht, selbst an Ladenkassen.

- viele Anstellungsverhältnisse werden nur so lange aufrecht erhalten, wie sie von der EU subventioniert werden. Sind die Subventionssummen aufgebraucht, endet auch die Beschäftigung. Oft werden Beschäftigungsverhältnisse ohne „Beschäftigung“ nur geschaffen, um Subventionen zu kassieren: diese werden dann geteilt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber – ohne Arbeit. Teilweise existieren ganze Firmen auf diese Weise.

- in der Landwirtschaft werden so viele Olivenhaine von der EU unterstützt, dass die Landfläche Griechenlands in überwiegenden Teilen mit Olivenhainen bepflanzt sein müsste. Ist sie aber nicht. Auch andere Geschäftsmodelle sind oft so weltfremd und aussichtslos, dass sich der Verdacht, sie seien nur zum Subventionsbezug eingerichtet, aufdrängt (z.B. ein schick wie eine Modeboutique hergerichteter Laden nur für Gummidichtungen (!) in einem Vorort von Kalamata, weit abseits des Geschäftsviertels)

Die Privathaushalte in Griechenland sind oft in geradezu abenteuerlichem Umfang überschuldet. Gründe dafür:

- während vor 30-40 Jahren Griechenland einem Automobilmuseum glich (ich war auch damals mehrere Male im Land), findet man heute fast nur noch aktuelle Neuwagen auf den Straßen. Zumeist keine Kleinwagen, dafür viele SUVs und „Trucks“, aber: überwiegend auf Kredit gekauft.

- ebenso der Wohnungsbau. In den Städten sind weitläufige Stadtviertel neu bebaut mit mehrstöckigen Appartementhäusern. Fast keine der Wohnungen ist bezahlt, sondern alles mit sehr wackelig konstruierten Krediten finanziert.

- Kreditkarten werden oft "kreativ" genutzt: der Kreditrahmen wird ausgenutzt, bis die Bank das Konto sperrt. Danach wird die Bank gewechselt und mit der neuen Kreditkarte geht das „Spiel“ von vorn los. Eine „Schufa“ oder ähnliche Kontrollmechanismen existieren nicht, es gibt kein Informationssystem zwischen den Banken.

- Qualifizierte Fachleute sind in Griechenland rar: wenn an unserem Boot etwas zu reparieren oder zu warten war (inklusive Elektronik und Maschine), haben wir gezwungenermaßen sehr schnell gelernt das selbst zu erledigen und erzielten zumeist bessere Ergebnisse als einheimische „Specialists“. Wenn wir doch die Hilfe eines Fachmanns brauchten, mussten wir uns an englische und deutsche "Gastarbeiter" wenden.

- bereits 2003 recherchierte ich im Internet zum Themenkomplex „Griechenland / EU / Subventionen“. Die Aussage eines EU-Kommissars brachte viele Ergebnisse und Entwicklungen auf einen schlüssigen Punkt: „Die Effekte, die durch die Subventionen an Griechenland als Anschubfinanzierung für nachhaltige Entwicklungen gedacht waren, belaufen sich entgegen aller Erwartungen und Hoffnungen nahezu gegen Null“.

- ein deutscher Ingenieur, der seit einigen Jahren in Griechenland als technischer Berater arbeitet, erzählte uns, dass eine oft gehörte Meinung sei: „Früher mussten wir bei euch in Deutschland arbeiten, um Geld zu bekommen. Mittlerweile schickt ihr es uns ja auch so direkt frei Haus. Ihr seid ja so blöd!

- natürlich bekommen viele „kleine“ Griechen nicht viel ab von diesem „Kuchen“. Eine dünne Oberschicht jedoch um so mehr. Und das so erwirtschaftete Geld wird eilends außer Landes gebracht. Unversteuert. Dafür sind dann die oft viele Millionen teuren Yachten dieser Oberschicht fast grundsätzlich auf den Cayman Islands registriert.

Wo (siehe oben) ein korruptes Schulsystem, ein korrupter (und unmäßig aufgeblasener) öffentlicher Dienst und ein unfähiges Wirtschaftssytem jede Initiative (so sie denn da ist) erstickt, ist es kein Wunder, dass eine ultra-linke Partei mit sozialistischen Rattenfänger-Thesen die Leute einsammelt. Wir haben schon "damals" diese Partei mit ihrem roten Fahnenmeer gefühlt in jedem zweiten Hafen beobachtet, wie sie unter wilden Sprechchören durch die Straßen zog. Die Hoffnungen, die durch die teilweise völlig realitätsfernen Versprechen ihrer Anführer in der Bevölkerung geweckt wurden, waren schon damals nachgerade atemberaubend.

Griechenland hat nach unseren Recherchen und Beobachtungen (wie mittlerweile allgemein bekannt) den Beitritt zur EU nur durch falsche Angaben (um das vorsichtig auszudrücken) "geschafft". Das Land hat dann viele Jahre lang fröhlich das transferierte Geld verjubelt ohne die eigentlich fälligen Hausaufgaben zu erledigen. 2006 liefen einige Transferleistungen aus: es war für denjenigen, der etwas genauer hinschaute bereits 2003 absehbar, dass "es" dann einen Crash geben würde. Griechenland machte aber so lange weiter, bis die EU eine erste Notbremse zog - die Griechenland jetzt lockern will. Kassieren ohne Gegenleistung klingt aber für die Geldgeber nicht sehr attraktiv. Griechenland war vor dem EU-Beitritt ein armes Land. Durch die Transferleistungen hat das Land auch die wenigen Devisenbringer früherer Zeiten über Bord gekippt (es gab mal schöne Lederwaren und Handweberei - heute nicht mehr). Wenn jetzt das "EU-Sponsoring" enden würde wäre das Land eben nicht nur arm, sondern bitterarm. Das hat sich Griechenland, nachdem das Land viele Jahre mit vielen Chancen verbummelt hat, größtenteils selbst zuzuschreiben. Ich habe Mitleid mit den "kleinen Leuten", die das jetzt ausbaden müssen. Mit dem *Land* - nach all den Beobachtungen vieler Jahre (wir haben uns natürlich auch nach unserer Rückkehr nach Deutschland für das Thema interessiert): kein bisschen.

Natürlich hat Griechenland auch seine schönen und sympathischen Seiten. Wir haben 4 Jahre dort gelebt und neigen nicht zum Masochismus. Aber in Hinblick auf die EU und die wirtschaftlichen Gegebenheiten konnten wir uns die EU-Mitgliedschaft Griechenlands nur mit militärischen Gründen (EU-Außengrenze) erklären. Und ob die Tatsache, dass Griechenland diese EU-Außengrenze (natürlich auch hoch subventioniert) stellt, hunderte (!) Milliarden Euros rechtfertigt, die in den letzten Jahren in diesem Land „versenkt“ wurden, erschien uns schon Anfang des Jahrtausends sehr fragwürdig. Zumal ein Großteil der Gelder zwar von deutschen Steuerzahlern abgezogen wird – dann jedoch in den Taschen korrupter Unternehmer und „der Finanzindustrie“ landet ohne auch nur den geringsten positiven Effekt zu generieren für das Land, geschweige die EU und schon gar nicht für die, die letztendlich dafür aufkommen müssen.

Sollte die kommunistische Partei bei den heutigen (25.01.2015) Wahlen gewinnen und sollte Griechenland weiter in der EU bleiben, müssen wir uns darüber im Klaren sein: es ist unwahrscheinlich, dass in Griechenland plötzlich die ökonomische Vernunft „ausbricht“, die Korruption abbricht oder die Nehmermentalität aussetzt. Ergo: wir werden gezwungen sein zu zahlen. Und zu zahlen. Und zu zahlen.........

 

Nachträge zur Geschichte Griechenlands:
1. Bereits vor über 100 Jahren spielte Griechenland eine unrühmliche Rolle in Europa anlässlich der sogenannten "Münzunion". Diese basierte auf einem Edelmetallstandart. Als Griechenland diesen nicht mehr bedienen konnte, gab das Land Papiergeld ohne Deckung aus und wurde 1908 von der Europäischen Münzunion ausgeschlossen. Ein Zeitungsausschnitt von 1897 belegt die damalige Stimmung Europas gegenüber Griechenland - sie war nicht besser als heute, aber die Presse traute sich noch, dem Ausdruck zu geben...
2. Anthropologie: Während unserer Griechenlandjahre tauschten wir uns mit vielen interessanten Menschen zum Thema aus. Unter anderem mit einem englischen Anthroplogen, der zu bedenken gab, dass sich die Bevölkerung Griechenlands, die ursprünglich mit den geistigen Errungenschaften (Aristoteles, Pythagoras etc) in Verbindung gebracht werden in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung durch Dekadenz und desaströse Kriege extrem verringerte. Die Folge waren Migrationsbewegungen von Landbevölkerung aus dem heutigen Bulgarien. "Schauen Sie sich doch die alten Bilder-Friese und Büsten an - und schauen Sie sich danach heute in Griechenland auf der Straße um - ein schon rein äußerlich völlig anderer Menschenschlag", so der Anthroploge. Wenn sich Griechen von heute als Erfinder der Demokratie und kulturelle Nachfahren der großen Philosophen bezeichnen, ist das vor allem: Etikettenschwindel. Griechenland ist heute überwiegend von bulgarischen Einwanderern bevölkert.