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Freundliche Sorgfalt

Der indische Lyriker und Philosoph Rabintranth Tagore hat das Wesen eines AusdrucksWeges auf eine sehr schöne Weise beschrieben: "Mein Lied will in den Sternen deiner Augen leuchten und deinen Blick in das Herz der Dinge führen". Das "Lied" bedeutet für mich eine Verpflichtung zur Sorgfalt. Nicht mit Imperativen, nicht mit Geschrei oder Provokation, sondern mit einem Lied, das in den "Sternen" der Augen des Angesprochen "leuchtet" soll etwas ausgedrückt werden. Der Gedanke beinhaltet viel vom Gebot der NächstenLiebe: Achtung und WertSchätzung des Menschen, dem ich etwas "sagen" will, und für den ich mich aus dieser GeistesHaltung heraus im besten Sinne bemühe.

Ich weiß, daß solche Gedanken reichlich unzeitgemäß wirken. Viele Inhalte ändern sich so schnell, daß eine sorgfältige Formulierung weder möglich noch sinnvoll erscheint. Der Zwang in der "Kunst", formal immer noch eine Neuerung zu erbringen, der permanente Drang, den (für kurze Zeit) ultimativ letzten Schrei einer AusdrucksForm vorzustellen, gestattet nicht mehr eine Sorgfalt in der Ausführung; die Wahrnehmung oder gar WertSchätzung eines Adressaten schon gar nicht.

Es bleibt selbstverständlich einzuwenden, ob es mit "zu viel Form" überhaupt gelingt, "den Blick in das Herz der Dinge" zu führen. Sicher nicht, wenn die Sorgfalt nicht auch auf Seiten des Rezipienten vorhanden ist; wenn dieser nicht ebenso bereit ist, sich auf ein Bild einzulassen; auf den formalen und den sinngemäßen Zusammenhang, in dem es entstand, das zugrunde liegende Konzept, einen hinweisenden Titel. Wie weit diese Sorgfalt des Betrachters geht, bleibt ohnehin jedem einzelnen überlassen. Auch in dieser Freiheit liegt ein Grund für mich, ansprechende Bilder zu malen: Ich möchte, daß auch ein AusstellungsBesucher, der nicht mit den neuesten KunstTrends vertraut ist, Bilder unter meinen Arbeiten findet, die ihn ansprechen und, im besten Falle, einladen, einzudringen - eben in "das Herz der Dinge", wohin er vielleicht ohne mein "Lied" nicht gekommen wäre. Es gibt in fast allen meinen ArbeitsSerien eine zweite oder dritte Ebene, die mir mindestens ebenso wichtig ist, wie das jeweilige Bild; und ich freue mich, wenn ich jemanden auch dahin mitnehmen kann. Mit einer freundlichen und sorgfältig formulierten Einladung.

Die formale Vielfalt meiner "Einladungen" kann in der Dokumentation "Wir Engel" besichtigt werden.