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FREIFLUG |
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Eine Neujahrsgeschichte |
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Ein makellos blanker Himmel überspannt den Messinischen Golf
am südwestlichen Pelepones - ein Blau, das über mir ganz dunkel in den Weltraum schaut und zum Horizont hin sanft vom Schönwetterdunst in die Farbe von Vergißmeinnicht aufgehellt wird. Hoch in diesem Blau hängt eine strahlende Sonne, die für Temperaturen über zwanzig Grad sorgt, wenn der Wind nicht eine kühle Prise von den schneebedeckten Bergen herab bringt. In meinem dunklen Neoprenanzug, der jeden Sonnenstrahl in Wärme umsetzt, ist mir diese Abkühlung aber hoch willkommen.
Die ersten Tage im Januar lockten noch einmal hinaus auf´s Meer. Also habe ich vor einer halben Stunde beschlossen, das Neue Jahr mit einer Segelpartie zu begrüßen und habe dazu unser kleines Beiboot segelfertig gemacht. Den Mast in die Halterung am Bug gesteckt, die Riemen seitlich ins Boot gelegt, das Schwert in seine Führung versenkt und das Ruder am Heck in seine Halteösen gesteckt. Dann das Luggersegel aufgezogen. Luggersegel sind die Nachfahren der ältesten Art der Besegelung, die Menschen je erfunden haben. Schon vor vielen tausend Jahren haben Boote und Schiffe auf den Meeren und Seen im pazifischen Raum und in Vorderasien mit ähnlichen Segeln weite Strecken zurückgelegt. Auf dem Nil, auf Euphrat und Tigris und in vielen Gegenden Nordafrikas kann man sie auch heute noch häufig beobachten, wenn sie nicht von knatternden Motoren verdrängt wurden. |
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Leise gurgelt das Wasser am Heck - der einzige "Geschwindigkeitsmesser", den es an Bord meiner Nußschale gibt. Ansonsten ist die Ausrüstung auf einen Handkompass und ein Mobiltelefon in einer wasserdicht verschraubten Plastikbox beschränkt. Als Wegzehrung dazu eine Flasche Wasser, ein Schokoriegel und Zigaretten. Der Wind ist leicht böig, sodass ich immer wieder meine Körperhaltung etwas ändern muss und die Schot des Segels ein wenig auslasse oder anziehe. Dies meist im Rhythmus der sanften Dünung aus südlicher Richtung, deren Hügel ich schräg hinauf und wieder hinunter fahre. Aufwärts
das Ruder etwas in die Welle, abwärts die entgegen gerichtete Bewegung und das in steter, nahezu gleichmäßiger Abfolge der Bewegungsabläufe. Ein entspanntes Wiegen in den Atemzügen des Meeres.
Rasch entferne ich mich vom Ufer. Unser Dingi erhielt von der Werft in Norddeutschland auf unseren Wunsch ein vergrößertes Segel, sodass auch bei sanften Winden eine annehmbare Geschwindigkeit erreicht werden kann, obwohl der Bootsrumpf entgegen der Konzeption eines modernen Renndingis eher ein "Verdränger" denn ein "Gleiter" ist, was jedoch sehr zur Stabilität des Bootes im Wasser beiträgt. Ich sitze am Boden des Dingis auf dem warmen Mahagonigräting, um den Schwerpunkt tief zu halten. Außerdem kann ich mich so bequem in die Ecke zwischen Bordwand und hinterer Sitzbank lehnen. Die eine Hand auf das Ruder gelegt, mit der anderen korrigiere ich die Schot des Segels. Langsam überträgt sich angesichts der eigenen Winzigkeit und der Weite umher die Stimmung einer heiteren Verlorenheit auf mein Gemüt, das diese Stimmung wie ein Schwamm aufsaugt und sich darin wie in einem bequemen Sessel zu räkeln beginnt. Außer den sparsamen rhythmischen Bewegungen und dem weiten Blick über den Messinischen Golf gibt es in der wohltuenden Stille hier draußen keine Ablenkung und so wandern meine Gedanken zu einem anderen Neujahrstag mit ebenso gleißendem Himmel. Damals wurde die Sonne vom strahlenden Weiß einer frisch gefallenen Schneedecke reflektiert, die Temperaturen waren fast dreißig Grad niedriger - es war der erste Tag im Jahr 1980 hoch in den Bergen über dem bayerischen Chiemsee. |
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Der komplette Text erscheint demnächst in der Sammlung "Blaue Lust" als e-book |
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