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Dienstag, 02. September 2003 * Efimia - Insel Kefallinia * Wir liegen wohlvertäut im idyllischen Hafen (wenn uns nicht wieder ein Charterer/Motorbootfahrer/Italiener (wahlweise: Österreicher) die Anker touchiert und/oder ausgräbt. Worst case scenario: ein Österreicher mit italienischen Vorfahren und gechartertem Motorboot - smile - MERKE: Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel... ) und feiern die nächsten Starkwindtage ab - es wird Herbst. Aber immerhin verheißt die Vorhersage in der Folgezeit einen Temperaturabfall von bis zu 7 Grad im Tagesschnitt, was sehr angenehm wäre. Ansonsten genießen wir den Aufenthalt. Baden, lesen, arbeiten, gute Mahlzeiten zubereiten. 

Beim Bericht über die Zeit seit unserem Aufenthalt in Patras (s. August) ist diesmal von Sturm und Nacht zu berichten. Der Sturm ereilte uns noch im Hafen der Lagunenstadt Mesolongi. Mesolongi ist die "Heldenstadt" Griechenlands. Meine Eindrücke über Stadt und Hafen habe ich in einem Brief an Rainer E., (Griechenland-Motorrad-)Reisegefährte "aus alten Tagen" (1983), heute "Mr. Baedecker", so beschrieben: 

Mesolongi ist ja ein griechisches Nationalheiligtum, aber mich hat die Lagunenlandschaft mit den Bergen ringsum weitaus mehr als die Heldendenkmäler beeindruckt. Und dass Lord Byron seinerzeit heldenhaft zur Unterstützung des (für die Griechen) im Desaster endenden Freiheitskampfs herbeigeeilt ist und dann nicht von einer Heldenkugel, sondern von einem Sch…. – LagunenMoskito niedergestreckt wurde, ist eine geradezu lächerliche Fußnote der Geschichte. Hier wird beides mit Pathos gefeiert, als ob ein Sieg zu verzeichnen und Lord Byron mit wehender Flagge vorausgeritten wäre. Ich hab da vielleicht nicht so den Draht dazu…..

Leider besteht auch hier ein Umstand, der in GR öfter anzutreffen ist: Ein, dem Zustand nach zu urteilen, vor vielen Jahren gebauter gigantisch großer Hafen, der wohl einst mit EU-Geldern gebaut wurde, inzwischen jedoch halb fertig im Dornröschenschlaf verfällt. Riesige vierspurige Strassen rings um die Stadt – aber kaum Autos darauf. Da wurde mal im ganz großen Stil geplant und dann ging das Geld aus, blockierten Behörden sich gegenseitig, schlug die Korruption zu, oder war einfach haarsträubend falsch geplant worden – oder alles zusammen. Jedenfalls zerfällt jetzt alles wieder. Schade drum – der Platz ist wirklich recht hübsch. Und so liegen wir nun in dem gigantischen Hafen zusammen mit 4 anderen Yachten (ein deutscher Unternehmer mit Gattin, ein englisches Ehepaar, ein italienisches Paar, ein dänischer Einhandsegler – die typische Mischung) und der Behörde ist es zu viel Aufwand, Hafengeld zu kassieren, also liegen wir eben gratis. Das heißt – nicht ganz: das deutsche Paar wollte ganz korrekt sein, lief 2 Kilometer zum Hafenamt um einen Stempel in ein von den griechischen Behörden eingeführtes „Transitlog“ zu bekommen, das ansonsten kein Aas interessiert und durfte prompt 11 Euros berappen. Daraufhin brummelte Dieter, der Skipper, nur noch was von „der Ehrliche ist mal wieder der Dumme“ – na ja, es trifft keinen Armen (Rheinische UnternehmerDynastie).

Ansonsten ist noch hinzuzufügen, dass sich nachts an unserem verlassenen, unbeleuchteten Pier permanent verschiedenstes Volk versammelte. Oft nur einheimische Jugendliche, die, freundlich auf die Ruhestörung zu später Nachtstunde aufmerksam gemacht, ebenso freundlich und verständnisvoll reagierten. Weniger erfreulich: Drogendealer mit Kundschaft und in der letzten Nacht randalierende, besoffene und offensichtlich extrem gewaltbereite Jugendliche, die uns den Abschied am nächsten Tag sehr leicht machten. (als wir den Vorfall am nächsten Tag einem einheimischen Segler erzählen, verlegt dieser eilends sein Boot an den gegenüber liegenden Industrie- und Fischerkai und erklärt die Aversion der Jugendlichen damit, dass sich die Stadt Mesolongi zwar gerne mit EU-Millionen protzig saniert hat, aber andererseits eigentlich keinerlei Interesse an Gästen aus der EU hat, sondern die erhaltenen Segnungen lieber unter Ausschluss von ungebetenen Gästen genießen würde. Dies erklärt nicht nur die Fremdenfeindlichkeit der Jugendlichen, sondern auch den lausigen Zustand des Yachtkais. Zur Verfügung gestellt muss etwas werden, da die EU-Gelder an die Einrichtung von Schutzhäfen gebunden waren. Dass damit noch lange nicht der Schutz vor aggressiven Einheimischen gemeint ist, haben wir plastisch erfahren.) 

Zurück zum Sturm, der uns, nicht unerwartet, trotzdem überraschte: Der Wetterdienst verhieß "Wind 4-5", Wolken und Schauer. Aus unserer in den letzten Monaten gesammelten Erfahrung bedeutet das in Übersetzung auf lokale Gegebenheiten ganz einfach "Sturmwarnung". Andere Segler folgten unserem Beispiel, blieben breitseits an der hässlichen aber sicheren Mole vertäut und waren spätestens in der folgenden Nacht um 01:45 Uhr froh über diesen Entschluss: Mit über 11 Beaufort (die Skala geht bis 12 - Orkan) brüllte das Unwetter auf uns zu und setzte zuerst die Boote mit Staub und Steinchen von den umliegenden Brachflächen einer Sandstrahlbehandlung aus. Das Ganze wurde dann vom darauf folgenden Regengeprassel auf den Decks zu flächigen Dreckhaufen verklumpt. Das Unwetter wütete bis zum frühen Morgen, wobei es im Lauf der Nacht seine Richtung um 180 Grad drehte, sodass unsere Boote in den letzten Stunden mit quietschenden Fendern an den Kai gepresst wurden. Am nächsten Morgen sahen die Boote innen und auf Deck aus, wie wenn sie an einer SaharaExpedition teilgenommen hätten. Trotzdem waren alle froh, "nur" putzen zu müssen: ein solcher Sturm auf offener See kann Boot und Leben kosten.

Trotzdem wollten wir wieder hinaus zu den Inseln (die Inseltour war nur unterbrochen worden, um in Patras einige Erledigungen zu tätigen). Also beschlossen wir, den nächsten Abend abzuwarten, um dann über Nacht die relativ weite Strecke zur Insel Kefallinia zu meistern. Die Fahrtrichtung war ziemlich genau West und für die nächsten Tage war durchgehend West-, also Gegenwind, angesagt. Unsere Kalkulation: normalerweise flaut der Wind bei Sonnenuntergang ab, sodass wir eventuell, wenn schon keinen Segelwind, wenigstens keinen allzu starken Gegenwind bekommen würden. Da wir durch den zwar sehr hübschen, aber über die gesamte Länge von fünf Kilometern mit Untiefen besetzten Kanal von Mesolongi quer durch die Lagunen zurück zum Golf von Patras mussten, legten wir kurz nach Sonnenuntergang ab, um diese schwierige Strecke noch bei Dämmerlicht passieren zu können. Als wir an den letzten Positionstonnen des Kanals angekommen waren, war es dann auch bereits fast dunkel. Leider erfüllte sich unsere Spekulation bezüglich des Windes aber nicht: der Wind blies uns mit satten 6 Beaufort entgegen, die Wellen, die permanent gegen unseren Bug klatschten, waren entsprechend, was uns zusammengenommen über einen Knoten Geschwindigkeit kostete. An ein Umkehren in den Kanal bei Dunkelheit war jedoch nicht zu denken, also setzten wir den entsprechenden Kurs ab und los ging die Fahrt. Trotz widriger Umstände ein wunderschönes Erlebnis, durch den in den Wanten heulenden Wind und die beidseits des Bootes vorbeifliegende Gischt in rabenschwarzer Dunkelheit (wir hatten Neumond) unter einem gigantischen Sternenhimmel fern der Lichter am Ufer durch die Wellen zu stampfen. Immer wieder schienen sich die Sternenhaufen am Himmel magisch verstärkt im Wasser zu spiegeln, bis uns einfiel, dass es sich um von der Bugwelle unseres Bootes aufgewirbelte phosphoreszierende Algen handelte. 

Ab und zu waren Fähren, Frachter und verspätete Fischerboote zu beachten. Ganz besonders im Gebiet der Insel Oxeia (geschichtsträchtig: "Schlacht von Lepanto"), welche, dem nördlichen Festland vorgelagert, das "Knie" bildet, an welchem die Schiffe, von Osten aus der Bucht von Patras und der "Strasse von Korinth" kommend, ihren Kurs nach Norden ändern. Hier war wieder einmal "Hasenrennen" angesagt, das heißt: den Kurs der in extremer Geschwindigkeit herankommenden riesigen Fähren und Frachter einschätzen und "Haken schlagen", um nicht von ihnen überrollt zu werden (darauf, dass unser Schiffchen auf der Brücke dieser Ungetüme wahrgenommen wird, haben wir trotz starkem Radarreflektor nie vertraut). Wir waren zum wiederholten Mal äußerst froh darüber, Radar an Bord zu haben: Auf bloße Sicht erscheinen die schnell auftauchenden Fähren nur als Lichterberge, deren Geschwindigkeit und Richtung vor allem nachts nur schwer auszumachen ist. Mit Radar sind Distanz, Fahrtrichtung und Geschwindigkeit mühelos zu verfolgen. 

Nach diesem Abenteuer befanden wir uns auf der offenen See zwischen dem Festland und den Inseln. Nacht, Wellen, Wind, Sternenhimmel. Hinter uns noch das Funkelfeuer an der Südspitze von Oxeia, das alle 15 Sekunden ein Lebewohl blinkt, sonst rabenschwarze Dunkelheit ringsum. Mitten in diesem Meer aus Nacht wirkt unser Ruderhaus wie eine heimelige Lichtinsel, beleuchtet von den Bildschirmen des Kartenplotters und des "Standby" geschalteten Radars und einer Kartenleselampe, die eine extra schwache Birne hat, damit die Augen sich beim Ausguck schnell wieder an die Dunkelheit gewöhnen. Elisabeth döst ab und zu ein wenig, während ich in der Tür des Ruderhauses sitze, um Ausguck zu halten (wir fahren mit "Autopilot") und mich regelmäßig durchs Ruderhaus an Kartentisch und Steuerpult taste, um einen Blick auf GPS, Karte, Tiefenmesser, Logge, Windmesser und Radar zu werfen. Später löst mich Elisabeth für ein 30-Minuten-Nickerchen ab, von dem ich erstaunlich ausgeruht aufwache.

Nach einigen Stunden wird voraus zuerst ein schwacher Lichtschein sichtbar und wenig später sind schemenhaft die Lichter der Insel Kefallinia und darüber sich gegen den Sternenhimmel schwarz abzeichnende Bergketten auszumachen. Nach einer weiteren Stunde blinkt das Feuer an der Südspitze der Insel Ithaka herüber, die wir südlich umrunden wollen. Wir verfolgen unseren Kurs auf dem GPS-Plotter und in der Seekarte, da wir ansonsten nach wie vor im "Blindflug" navigieren - noch ist keine Küste deutlich auszumachen, was sich bis kurz vor der Einfahrt in unsere Zielbucht nicht ändern wird. Nach dem Passieren des Leuchtfeuers Ithaka suche ich das Panorama nach dem EingangsLeuchtfeuer zu der Bucht ab, in welcher der Hafen von Efimia liegt. Fehlanzeige. Ich verfluche mal wieder das "Laissez-Faire" der Griechen und freue mich über GPS-Plotter und Radar, die mir exakt Kurs und Position bei der Einfahrt in die Meerenge zwischen Ithaka und Kefallinia und den Eingang der Bucht anzeigen. Es ist jetzt kurz vor Morgengrauen. Hinter uns im Osten zeigt sich ein noch kaum wahrnehmbarer Lichtstreifen und das Radar erfasst die ersten Fischerboote des Tages. Wir haben Zeit und Geschwindigkeit trotz Sturm und Wellen gut kalkuliert (in den letzten Stunden war der Sturm auf 4 Bft. abgeflaut und eine Meeresströmung von achtern glich die Verzögerung der ersten Stunden komplett aus): Mit der ersten Dämmerung laufen wir in die Bucht ein und kurz vor der Hafeneinfahrt ist es so hell, dass wir alles gut erkennen und unsere Positionslichter abschalten können. 

Die ersten auslaufenden Boote kommen uns bereits entgegen und so finden wir schnell einen Anlegeplatz. Es folgt die übliche Anlege-Übung, die wir inzwischen mit ruhiger Routine erledigen und um 07:20 sitzen wir bei den ersten Sonnenstrahlen auf der Heckterrase unserer Unity und genehmigen uns ein "Guten Morgen -/ Gute Nacht- Bier", bevor wir uns in die Kojen verkriechen.