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Gavrion, Insel Andros, 25. September 2004

 

Irgendwo zwischen dem ersten und dem zweiten Bild bewegt sich die Atmosphäre in unserem Hafen. Einerseits ein hübsches, freundliches Kykladendorf, andererseits das Sturm- und Gewittertief, dessen Anziehen im Bild oben rechts deutlich zu sehen ist. Nicht dieses Tief beschäftigt uns aber am meisten (zum Schutz davor haben wir ja einen Hafen aufgesucht), sondern, entgegen unserem Eindruck vom Vortag (<) die Fähren, die von morgens sieben Uhr bis abends neun in steter Folge ein- und auslaufen - wir zählten 15 Stück in den 10 Stunden. Eigentlich wäre die Ankunft der Fähren kein Problem - wir hatten in anderen Häfen auch bereits Fähranleger in nächster Nähe. Jetzt kommt jedoch zum Schwell der Drehbewegung der Fähren, die wegen des Sturms stärker Gas geben müssen, um sich zu halten, der Schwell, der trotz der geschützten Lage des Hafens von der See hereinschwappt. Zusammen erzeugt das bei jedem Einlaufen einer Fähre eine fast ein Meter hohe Welle, auf der die Boote dann vor und zurück und auf und nieder schaukeln, wobei sie mit jedem Schwung zurück dem Pier gefährlich nahe kommen.

Links außen: Alle Boote versuchen, sich mit Springs und Federn zu sichern. Links: Wenn die Ringe allerdings nur noch rudimentär vorhanden sind, wird´s schwierig. Oben: Das war ein massiv wirkender geschlossener Festmacher-Ring von 20 cm Durchmesser und 3 cm Materialstärke - bis ein stärkerer Schwell kam. Fläche des Schweißpunktes, der die Enden zusammenhielt: Ein (1) Quadratmillimeter.
Aber wir helfen uns alle gegenseitig. Hilfsbereitschaft und freundliche Kommunikation wird in den meisten Fällen unter Langfahrtseglern aller Nationalitäten noch immer gepflegt. Wir wissen, dass wir alle jederzeit in eine Situation kommen können, in der wir froh um die Hilfe anderer sind und danach richtet sich unser Verhalten untereinander aus. Eigentlich wissen das alle Menschen, die zur See fahren; ob Fischer, Frachterkapitän oder eben Fahrtensegler - eine Ausnahme bilden leider einige Charterskipper (siehe unten) und fast alle Motoryachtfahrer - und diese beiden Gruppen wachsen expotentiell.....

Bild oben und unten: Die Brecher, die bis in die relativ geschützte Bucht bis an den Hafeneingang einlaufen, geben uns einen lebhaften Eindruck davon, was "draußen" grade abgeht.

 

Trotz des stürmischen Wetters lief heute morgen eine Yacht aus. Termingründe. Die Langfahrer am Steg schüttelten verständnislos den Kopf. Segeln und Termine vertragen sich extrem schlecht. Eins der Hauptübel des Chartergeschäfts, das oft der Grund für halsbrecherische Fahrten mit relativ ungeübten Crews ist. In diesem Fall war es aber ein Eigner, der seinen Sohn und ein paar Freunde zum Festland an den Flughafen bringen wollte. Jede der vielen Fähren hier hätte das schneller und sicherer besorgt. Aber Argumente sind bekanntlich eine Sache, des Menschen Dickkopf eine ganz andere... 

Elisabeth hat am Strand zwei Autoreifen gefunden, die wir jetzt an der Hafenmauer hinter unserem Heck als Sicherheitspuffer aufgehängt haben. Jetzt kann eigentlich nicht mehr viel passieren und wir können es uns leisten, ein wenig dem "Genius loci" zu verfallen, das heißt, Ort und Landschaft bei gelegentlichen Spaziergängen zu genießen.

Bild oben und unten: Die typische Kykladenarchitektur in blau-weiß und immer wieder pittoreske Details, die ein Stück der Geschichte eines Gebäudes und seiner Nutzung erzählen.

Jetzt ruft Joyce vom Nachbarboot warnend "Next ferry is coming". Sie hat mit ihrem Mann zehn Jahre lang die Welt umsegelt und ist sich sicher, nirgends einen so anstrengenden Hafen erlebt zu haben (wir sind da von den gelegentlichen Schwells bei Südsturm in Kalamata etwas abgebrühter). Gestern Abend schlingerte ihr Boot wild umher, nachdem der oben abgebildete Ring mit einem Ruck brach. Wir (mit von der Partie ist noch ein schwedisches Paar auf der ersten schönen Beton-Yacht, die ich bisher gesehen habe - gebaut in Durban/Südafrika) halfen alle zusammen, sicherten das Boot für die Nacht und heute Morgen legte sich die "Tusk" um auf einen Platz neben uns. Danach brachte ich für alle Boote mit dem Dingi Zweitanker aus. Jetzt liegen wir ziemlich sicher; Joyce hat sich umgehend zu einem Mittagsschläfchen verabschiedet, nachdem in der letzten Nacht auf der Tusk nicht so viel an Schlaf zu denken war.

Übrigens: nicht dass das Starkwindgebiet Kälte gebracht hätte - wir haben weiterhin etwa 27 Grad, was selbst die "Birds on the Wire" zu genießen scheinen. Also habe ich für morgen ein "Stegessen" angesagt. Käs-Spätzle natürlich. Was sonst? Wir haben gemeinsam die etwas schwierige Situation gemeistert, da ist es nur "recht und billig", dass wir auch gemeinsam ein wenig feiern.

Nachtrag 25. September: Wir konnten gelassen unsere Spätzle genießen - der starke Schwell hat nachgelassen. Kaum zu glauben, dass es "draußen" noch bläst. Aber "Poseidon", der Seewetterdienst des Griechischen Ozeanographischen Instituts, meldet auf seinen sehr detaillierten Karten, dass erst am Dienstag die Wellen zurückgegangen sein werden und der Wind aus einer Richtung bläst, bei der wir nach Tinos segeln können anstatt gegen Wind und Welle an zu motoren. Also: noch anderthalb relaxte Hafentage, die wir zusammen mit unseren sehr netten englischen und schwedischen Stegnachbarn genießen. Zu den Spätzle steuerte Joyce noch einen Champagner als Aperitif und zum Nachtisch einen original englischen "pudding" bei - unsere Premiere bei dieser Delikatesse. Die benachbarten Fischer waren recht amüsiert und fanden es "very romantic", als wir Klapptisch und -Sessel am Steg aufstellten und dann bei schönstem Sonnenschein und freundlich fächelndem Wind unser Festmahl genossen. 

 

Heute in der Rubrik "Das Letzte": Deutsche Männercrews

Der Hafen füllt sich nach den Starkwindtagen. Am Nachmittag kam auch eine deutsche Männercrew im "coolen" türkis-weißen Charterboot an. Da wenig Platz war, verlegte sich sogar ein freundlicher Fischer und gemeinsam mit einem hilfreichen "Coast Guard" (!) zogen wir das Boot längsseits gegen den Wind an den Steg. Nicht dass die Hilfestellung nun aber als beispielgebend empfunden worden wäre: Spät abends (24:00) kam noch ein Segelboot herein, das sich im nächtlichen Hafen erst mal zurecht finden und dann vor einer auslaufenden Fähre quer durchs Hafenbecken flüchten musste. Danach steuerte die Yacht zielstrebig an den einzigen noch freien Platz direkt vor der türkisfarbenen Yacht zu. An diesem Platz waren jedoch einige Dinge zu beachten, die bei Nacht nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Außerdem musste auch diese Yacht breitseits gegen den Wind anlegen. Ohne Hilfe von Land ein schwieriges Unterfangen. Ich beobachtete das Manöver und wartete darauf, dass die deutsche Männercrew, die im Cockpit saß und den Anlegeplatz direkt vor der Nase hatte, sich endlich ans Pier stellte, um zu signalisieren, dass Hilfe bereitstand und um auf einige vorstehende Eisenteile aufmerksam zu machen. Fehlanzeige. Also rannte ich eben kurz bevor die Yacht das Pier erreicht hatte, los, rund ums halbe Hafenbecken. Als ich an der deutschen Yacht vorbei kam, reichte die Zeit immerhin, um mit einigen Worten, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen ließen, den deutschen Stoffeln ein paar äußerst deftige Worte in ihr cooles Cockpit zu werfen. Unser englischer Nachbar war inzwischen ebenfalls am Pier entlang gehechtet und so besorgten wir eben vor der Nase der "Paradesegler", was eigentlich deren Aufgabe gewesen wäre.

Dass es oft auch mit den "handwerklichen" Fähigkeiten solcher Crews nicht grade zum Besten bestellt ist, konnten wir bei verschiedenen Anlässen beobachten - nicht zuletzt bei einem denkwürdigen Manöver im Hafen der Insel Poros. Auch in Parga praktizierte im letzten Jahr eine österreichische Crew mit einem hoch cholerischen Skipper ein zwei Stunden dauerndes Debakel. Etwas praktische Ungeübtheit ist ja nur logisch und würde gar nicht weiter ins Gewicht fallen. Selbstüberschätzung, Rechthaberei, falscher Stolz, gekränktes (männliches) Ego sind die Defizite, die letztendlich als wirkliche Ursachen genannt werden müssen und genau zu dem führen, was eigentlich als "worst case" empfunden wird: eine oberpeinliche Vorstellung unter den Augen dutzender Segler aus aller Herren Länder. Ich habe mir bereits vor zwei Jahren angesichts eigener Erfordernisse (Ehepaar-Crew), verschiedentlicher Erfahrungen (auch bei uns an Bord ist bei Weitem kein Meister vom Himmel gefallen) und Beobachtungen einige Gedanken dazu gemacht: "Men next God"

Demgegenüber soll nun aber eine (nord-)deutsche Damencrew unterschiedlichen Alters, die wir letztes Jahr in Pylos und Kalamata trafen, nicht unerwähnt bleiben: Perfekte Manöver in jeder Situation. Präzise Kommandos von der Skipperin, jedes Crewmitglied wusste, wo sein Platz und was seine Aufgabe ist. Alles lief stets ab in einem Stil, der jederzeit für ein Schulungsvideo geeignet gewesen wäre. Bei uns bekamen die Damen den freundlichen Spitznamen "Traumschön-Crew", da eine der Damen dieses Prädikat für die Beschreibung eines besonders schönen Sonnenuntergangs verwendete. Als sie bedauerte, grade keinen Fotoapparat zur Hand zu haben, erlaubte ich mir, schnell ein paar Aufnahmen zu machen und sie den Damen auf CD zu verehren. Dass diese Crew selbstverständlich auch anderen Booten gegenüber perfekte Hilfsbereitschaft demonstrierte, muss eigentlich fast nicht mehr gesondert erwähnt werden. Wir haben kaum eine Männercrew erlebt, die dieser Crew auch nur entfernt hätte das Wasser reichen können - aber einige, die sich angesichts ihres schnoddrig-arroganten Verhaltens und praktischen Unvermögens im Vergleich mit den Damen schamrot in der hintersten Koje verkriechen müssten.

Nachtrag Tinos 29. Sept.: Fairerweise muss an dieser Stelle nachgetragen werden, dass gestern eine Crew deutscher Wissenschaftler neben uns anlegte, deren Anlegemanöver angenehm ruhig, überlegt und koordiniert verlief. Anker gut geworfen, sauber hereingekommen und - kurz vor der Lücke aufgestoppt, damit wir etwas zur Seite rücken konnten, anstatt sich "blindlings" in die ursprünglich etwas zu enge Lücke zu quetschen. Chapeau. Kommt das jetzt daher, dass die Jungs auch im Beruf daran gewöhnt sind, diszipliniert im Team zu arbeiten? Einen kleinen Abzug in der Note gibt´s für Geheimniskrämrei: Warum muss die Tatsache, dass es da irgendwo einen offenen Wasserhahn zum Bunkern gibt, im vertraulichen Flüsterton weitergegeben werden? Segler leben vom Austausch wichtiger Informationen.