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Lagunenlandschaft in Mesolongi: Darf man das noch fotografieren ohne sich schändlichster Effekthascherei und Klischeeseeligkeit schuldig zu machen? Oder muss man gar, weil das Schauspiel jeweils nur Minuten anhält? Die Luftfeuchtigkeit und der Winkel der Sonneneinstrahlung bringen in Griechenland Farben und Stimmungen hervor, die ich mir grade noch unter dem Vorwand "Dokumentation" zu fotografieren traue. Das zu malen wäre allerdings definitiv "Todsünde".

 

Mytikas (nördl. Festland), 18. Oktober 2005

 

Thermoweste, gefütterter Anorak, Wollmütze, lange Hosen, Wollsocken. Was schwer auf "Segeln in der Nordsee" deutet, wird im Oktober mitunter auch in Griechenland fällig. Zumindest bei steifem Norder auf See und am Abend auch im Hafen. Trotzdem sind die Tage meist noch immer strahlend blau und um die Mittagszeit überschreiten die Temperaturen dann auch deutlich die 20 Grad Marke. September/Oktober sind neben Mai und Juni die schönste Zeit in Griechenland. Die Luft ist klar, die Hitze ist in Wärme übergegangen, Wolken oder gar Niederschläge sind noch immer selten. Da es so schön ist, trödeln wir jetzt ein wenig: Korfu wäre von hier in drei bequemen Tagesfahrten erreichbar, wir wollen aber erst gegen Mitte November ankommen. Also belohnen wir uns jetzt für die doch teilweise anstrengenden Törns in der ersten Hälfte der Reise "ein Mal längs durch Griechenland".

Am 12. Oktober trennten wir uns wieder von der idyllischen Insel Trizonia und machten einen kurzen Schlag zum historischen Festungshafen Nafpaktos kurz vor der großen Hängebrücke von Patras. Schon von weitem grüßte die riesige Festungsanlage des ehemaligen "Lepanto". Bereits in Kindheitstagen hatte ich im Historienschinken "Der Sieger von Lepanto" von den Heldentaten des Don Juan d´Austria (schon wieder ein Österreicher....) gelesen:

Wir wollten nun in den winzigen befestigten Hafen am Fuße der Festung einlaufen. Als wir vorsichtig den Bug durch die enge Hafeneinfahrt streckten, war mein erster Impuls "um Himmels willen - nichts wie raus (wenn wir noch können) und in der Bucht ankern". So winzig und eng hatten wir uns das dann doch nicht vorgestellt. Aber nach einiger Umschau und besorgten Blicken auf das Echolot war klar, dass am Fuß der Treppe gegenüber der Hafeneinfahrt angelegt werden konnte. Also machten wir eine vorsichtige Drehung um 180° (ich war wieder einmal sehr dankbar für die Wendigkeit der Unity), ich fuhr den Bug mitten in den Hafeneingang und Elisabeth ließ "raaaatsch" den Anker fallen. Das laute Rasseln der Ankerkette bereitete uns etwas Pein, da auf dem Hafenpier gleich neben der Hafeneinfahrt augenscheinlich ein Festchen mit Musik zugange war, in die wir kurz etwas lebensechte Hafengeräusch-Kulisse mischten. Wie sich später herausstellte, filmte das griechische Fernsehen eine landestypische Variante des "Musikantenstadel" mit Schalmeien, Tanz und Gesang:

Eine Kamera schwenkte denn auch umgehend auf uns als willkommene Kulisse. Gott sei Dank lief unser Anlegemanöver lehrbuchmäßig. Wenn auch noch ein freundlicher Grieche hätte gefilmt werden können, der uns an der extrem hohen Plattform die Leinen angenommen hätte, wäre uns das recht gelegen gekommen. War aber nicht trotz zahlreichen Zuschauern. Also legte Elisabeth noch eine artistische Zugabe ein und dann lagen wir so historisch wie selten.

Während ich das Spektakel auf der anderen Hafenseite beobachtete, überlegte ich, wie dieser winzige Hafen zu der riesigen Kriegsflotte von Lepanto passte. Wenn man die Hafenkarte betrachtet, wird schnell klar, wie die Anlage benutzt wurde: vor dem Hafen liegt ein weitläufige flache Bucht, in der viele Schiffe bequem ankern können. In den befestigten Hafen selbst kamen nur höchstens vier Schiffe auf einmal: drei an die Treppen zum Be- und Entladen "leichterer" Güter wie Proviant, Pulver, Wasserfässer etc., und ein Schiff längsseits an das Pier links vom Hafeneingang zur Aufnahme schwererer Güter wie Kanonen, Ersatzmasten etc.  Damit war dann das nur 60 x 90 Meter kleine Hafenrund "rappelvoll". Wahrscheinlich mussten die Schiffe mit viel Geziehe und Gezerre richtiggehend in den Hafen "eingefügt" werden.

Was heute so den Hafen belegt, Fischer und Hobbysegler, wäre zu den Hochzeiten der Festung Lepanto vermutlich umgehend für das unbotmäßige Einlaufen in diese hochbefestigte Militäranlage am nächsten Galgen gelandet. Heute schaut nur noch ein freundlicher Officer der Port Authority vorbei: 2 Euro Hafentaxe und mal wieder ein Stempelchen ins Transitlog.
Bilder oben von links: 1. Mitten in den Festungsanlagen von Nafpaktos hat sich ein Wohngebiet ausgebreitet und mitten zwischen den Häusern tut sich da und dort ein Abgrund auf: unter der ganzen Anlage breitet sich augenscheinlich ein mehrstöckiges Labyrinth aus Kassematten, Fluren und Gewölben aus, das, wie man sieht, hier und da auch einmal einbrechen kann. Kein Grund, nicht einfach darauf zu bauen oder wenigstens die Einsturzlöcher mit einem Geländer zu sichern. Tu felix Graecia.... 2. Die Büste auf dem Turm des Hafeneingangs symbolisiert so recht das griechische Nationalgefühl. 3. Blick von der Festung über die Stadt zum Hafen. 4. Was wir nicht wussten: der spanische Schriftsteller Cervantes (der mit dem "Ritter zur traurigen Gestalt") war bei der Schlacht von Lepanto auch zugegen; in welcher Funktion konnten wir nicht in Erfahrung bringen, aber er muss wohl gelitten (gewesen) sein - schwupps bekam er auch noch ein Denkmal in der Hafenfestung.

 

Am nächsten Morgen machten wir uns früh auf den Weg nach Mesolongi, dem letzten Hafen im Golf von Patras/Korinth. Ein frischer Wind wehte von Nordost durch den Golf, was uns zwar wieder Rückenwind bescherte, aber vorerst nicht wie in den letzten Tagen zum Segeln benutzt werden konnte: die Durchfahrt durch die Hängebrücke von Patras stand an. Da sich zur steifen Brise auch die entsprechende Welle einstellte, schaukelten wir heftig rollend der Brücke entgegen. Zwei Seemeilen davor dann "Hallo Rio Traffic Control, this is sailing yacht Unity approaching the bridge from east, direction west, over". Masthöhe, Schiffslänge und zur Versicherung auch noch einmal Fahrtrichtung wurden abgefragt, dann die Anweisung "drei Pylone links, ein Pylon rechts" im grün bezeichneten Fahrwasser. "Thank you, over and out", ich sah nur nichts Grünes. Also wackelte ich mich eben frohgemut in Richtung des höheren der zwei Pylone, zwischen denen ich passieren sollte.
Oben von links: 1. Ansteuerung der Brücke von Patras, zwischen den beiden Pylonen rechts im Bild sollen wir durch, 2. Heftiges "Gewackel" im Brückenbereich, 3. Aha, hoch oben an der Brücke ist die grüne Fahrstraßenmarkierung angebracht, aber das reicht doch nie in der Höhe - der arme Mast, gleich kracht´s... , 4. Zum Glück nur ein "Knick in der Optik" - da wären sogar noch einige Meter Höhe zur Verfügung gestanden.

 

Nach der Brücke konnte die Genua gesetzt werden und wir näherten uns rasch der Einfahrt zum Kanal von Mesolongi. Vorsichtig tasteten wir uns entlang des ausgebaggerten Fahrwassers dem Hafen entgegen, während wir die pittoresken Pfahlbauten beobachteten, die die ganzen Strecke entlang den Kanal säumen:

Wir legten uns an die neuen Schwimmstege des Hafens, die größtenteils bereits von einigen Fischern annektiert waren, was sich in diesem Fall jedoch noch als Glücksfall erweisen sollte. Das Hafenbecken von Mesolongi ist sehr ruhig und weit, also verdonnerte ich Elisabeth zu einem "Mann über Bord"- Manöver und einigen Anlegeübungen mit der Unity: für den "Fall der Fälle" ist es sicher von Vorteil, wenn auch sie die wichtigsten Manöver mit dem Schiff beherrscht auch wenn das "Schippern" normaler Weise meine Aufgabe ist. Der nächste Tag sollte ungünstige Winde bringen, also verbrachten wir ihn im Hafen mit einigen Arbeiten und langen Spaziergängen durch die Lagunenlandschaft.
Bilder oben: 1. Die eleganten flachgehenden Fischerboote der Lagune (s. auch Bild am Seitenanfang), 2. Der Frachtverkehr im Hafen nimmt nach unserer Beobachtung von Jahr zu Jahr zu, 3. Die Stadt ist von riesigen Prachtboulevards durchzogen - fährt nur kaum ein Auto drauf, 4. Hinter dem Hafen erstreckt sich ein weites Brachgelände, das sich zu einem seltenen "Salzwiesen"-Biotop mit großem Artenreichtum entwickelt. Leider wird es auch als wilde Müllkippe verwendet.

 

Auf einem Gelände am Handelshafen ist eine kleine Militärschau mit ausgemusterten Düsenjägern, Lenkwaffen, Bomben und Panzern aufgebaut - Mesolongi ist ja die Heldenstadt Griechenlands. Was macht der schwäbische Kriegsdienstverweigerer früherer Tage daraus? A bissle Kunscht....:

 

 

 

 

Beim Auslaufen aus Mesolongi begab sich dann ein kleines Missgeschick, wie es schnell passieren kann, wenn man sich zu sicher fühlt (wir kennen den Hafen ja mittlerweile soooo gut...) und etwas unachtsam ist: kleiner Navigationsfehler, Boje falsch angesteuert und der Kiel der Unity schlüpfte sanft und weich in den Schlick der flachen Lagune, in die das Hafenbecken übergangslos und nur äußerst mäßig markiert übergeht. Rückwärtsschub Fehlanzeige, Rückwärtsschub plus Dingi mit Motor: Fehlanzeige. Schlick ist ein sehr gut haltender Grund und ob es sich da jetzt um einen Anker oder unseren Kiel handelt, ist dem Zeug ziemlich egal. Zum Glück hatten wir am Steg die Bekanntschaft eines Deutschen, der hier lebt, gemacht, zum Glück hatten wir den (jungen netten) Fischer am Steg immer freundlich gegrüßt, zum Glück war der Deutsche mit dem Fischer befreundet, zum Glück hatten sie unser Dilemma beobachtet und boten per Handy ihre Hilfe an (denn zum abermaligen Glück hatte ich dem Deutschen zuvor meine Visitenkarte gegeben). Also kam der Fischer kurz mit seinem stark motorisierten Kahn quer über den Hafen gebraust und hau - RUCK, die Unity war wieder flott. Bezahlung oder sonstige Revanche wurde freundlich winkend abgelehnt und so konnten wir uns dankbarer Weise mit nur einer halben Stunde Verspätung doch noch auf den Weg machen.

Nächste Station wäre eigentlich die idyllische, ruhige, sichere, schöne Petala-Bucht gewesen, aber Elisabeth hat sich vorgenommen, dass ich diese von mir so geliebte Bucht nicht mehr sehe. Wie im letzten Sommer führte sie schwerwiegende Gründe an, warum wir ein paar Meilen weiter nach Norden fahren sollten, wo der Hafenführer eine Bucht mit drei langen Betonstegen "quiet, not in use" verhieß. Ich fügte mich seufzend. Bei der Ansteuerung erwies sich bald, dass sich Commodore Elias irrte: "quiet" stimmte weil Sonntag war, "not in use" war jedoch eine Fehlmeldung: hohe Ladekräne und anderes schweres Gerät zeigte an, dass hier mittlerweile schwer was los ist. Ein einsamer Deutsch sprechender Angler informierte und denn auch, dass wir uns doch bitteschön "nach drüben" verholen sollten. "Drüben" bezeichnete den tief in der anschließenden Bucht gelegenen Hafen von Astakos. Im Sommer ist der Hafen eine Bruthölle (war er jetzt zum Glück nicht mehr), das Wasser ist so verdreckt, dass ständig Sauerstoff hineingepumpt werden muss und die Bevölkerung ist "irgendwie" unfreundlich. Nicht nur zu uns sondern auch unter einander. Außerdem schallten aus allen Tavernas die Fernsehgeräte, weil die Griechische Nationalmannschaft grade mal wieder ein Spiel verlor (tut sie seit der Europameisterschaft fast pausenlos - komisch....). Ich maulte noch was von "....wären wir doch lieber....", aber jetzt half das auch nichts mehr. Um Elf war das Fußballspiel vorbei und die Griechen hatten Gott sei Dank auch diesmal nicht gewonnen, sonst wäre noch ein Höllenspektakel unter Abschießen von Böllern und Autogehupe losgegangen, was Pia jedes Mal zu Tode erschreckt. Wahrscheinlich ist Astakos gar nicht so hässlich - ich mags halt einfach nicht. Das Schönste sind noch die alten Steine am Fischerpier:

Gestern (17.) verzogen wir uns also umgehend wieder und liefen den kleinen Hafen Mytikas an. Der ist zwar im Sommer komplett von kleinen italienischen Trailerbötchen belegt, aber um diese Jahreszeit konnten wir uns längsseits legen und die Stille nebst einem hübschen Ausblick genießen.

Irgendwie mögen wir das kleine Nest - wahrscheinlich, weil wir hier bei allen Besuchen bisher eine überwiegend freundliche Bevölkerung antrafen. Heute soll der Wind aus einer ungünstigen Richtung wehen, weshalb wir wieder einen Tag Pause machen. Morgen ein kurzer Schlag nach Nidri und wenn übermorgen wie angesagt moderate Winde aus Süden blasen, können wir unter Segeln den Kanal von Lefkas, unsere nächste Station, anlaufen.

 

(Bilder: 1 + 4: Mytikas, 2 + 3: Mesolongi)

 

Last not least: Ich habe bereits die Karte mit dem Törnverlauf dieses "Ägäischen Sommers" gestaltet (die letzten Törns bis Korfu sind bereits mit aufgenommen - da ändert sich nichts Gravierendes).