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Monemvasia, 17. Oktober 2004

 

Bild rechts: erleichtert begrüßten wir nach unserer Nachtfahrt den archaischen Festungsfelsen von Monemvasia. Die Schräglage qua Seegang wurde aus Gründen der Authentizität nicht retuschiert.

 

Oben: Das schönste Fährterminal auf unserer Reise sahen wir in Milos. Der Architekt scheint schon mal was von "Bauhaus" gehört zu haben: Klar, sachlich. die Symmetrie dezent im Mittelteil gebrochen. Ein schöner Kontrast zu den sonst üblichen Verschlägen.

 

Aus einem Tag wurden wieder einmal fünf Tage, bevor wir es wagten, uns für viele Stunden in einer langen Nachtfahrt über die Seestraße von Mirtos nach Monemvasia am Kap Maleas im Süden des Pelepones  zu wagen. Vier Tage lang beobachteten wir die Wetterlage argwöhnisch über die Prognosen von "Poseidon" und "Wetter Online". Am 14. Oktober fassten wir uns ein Herz: Die Lage war zwar nicht traumhaft, aber wir wollten schließlich das Weihnachtsfest nicht in Milos begehen und ob das Wetter im Winterhalbjahr an einer der anspruchsvollsten Ecken der Ägäis noch einmal besser würde, war nicht abzusehen. Wir legten so früh ab, dass wir noch bei Tageslicht die Zone durchfahren konnten, in der mit ausgelegten Fischernetzen gerechnet werden musste und so spät, dass wir erst nach Tagesanbruch in Monemvasia einlaufen würden. Eine gängige Seglerstrategie, bei weiten Strecken lieber "in den Tag hinein" zu fahren, als in die Nacht. Will sagen: Falls die Fahrt länger dauert, als geplant, kommt man doch in jedem Fall bei Tageslicht an der nächsten Küste und im Zielhafen an.

Zu Beginn unserer Fahrt hatten wir noch wie vorhergesagt einen raumen Wind von bis zu vier Beaufort, dem wir hurtig unsere Genua anboten, was uns eine angenehme Steigerung unserer Fahrtgeschwindigkeit bescherte. Mittlerweile war es stockdunkel geworden. Neumond und Wolken schluckten auch den zartesten Lichtschimmer. Nur das Leuchtfeuer an der Nordspitze der Insel Antimilos grüßte noch eine Weile zum Abschied. Später wurde es abgelöst vom Leuchtfeuer der kleinen Felseninsel Falkonera. Aber bevor uns ein Gefühl einsamer Verlassenheit befallen konnte, wurden wir schon wenige Seemeilen von Milos entfernt sehr schnell daran erinnert, dass wir eines der meistbefahrenen Seegebiete Griechenlands überquerten. Alle Seefrachter, die vom westlichen Mittelmeer oder vom Suezkanal in Richtung Piräus fahren, kommen hier entlang und davon, dass das auch Nachts eine ganze Menge sind, konnten wir uns recht schnell überzeugen. Wir hatten mitunter nicht weniger als 9 Frachter gleichzeitig in Sicht und auf dem Radarschirm, die, aus verschiedensten Richtungen kommend, unseren Kurs an irgendeiner Stelle kreuzen würden. Wenn es mir etwas unklar erschien, wo und wie ein Schiff uns passieren würde, probierte ich mit Erfolg etwas für mich Neues: Ich funkte das entsprechende Schiff über UKW an, fragte freundlich, ob ich auf dem Radarschirm zu erkennen sei und welche Route das Schiff im Verhältnis zu unserem Kurs zu nehmen gedenke. Die Jungs haben die besseren Geräte an Bord und so bekam ich denn auch stets präzise und freundliche Auskunft. Es ist schon sehr beruhigend, wenn man in rabenschwarzer Nacht auf offener See ein solches Ungetüm nahen sieht und sich kurz vergewissern kann, dass da ein wacher Mensch auf der Brücke steht, der uns registriert hat. So waren dann auch meine, stets höflich erwiderten, Wünsche für gute Weiterfahrt vor dem "Over and out" wirklich ehrlich gemeint.

Nach dem ersten Drittel der Fahrt mussten wir unsere Genua wieder einfahren, der Wind flaute ab. Es ist ein besonderes Gefühl, mitten in undurchdringlicher Dunkelheit auf dem Meer im Schein der Deckslichter am Segel zu arbeiten. Als das Segel eingerollt war, registrierten wir zu unserer angenehmen Überraschung, dass unsere Geschwindigkeit über Grund eher noch zugenommen hatte: Wir hatten eine kräftige Strömung von hinten, die uns etwa 25% schneller gen Westen trug, als das bei unserer Motordrehzahl normaler Weise der Fall gewesen wäre. Noch eine angenehme Überraschung bestand darin, dass das tückische "Karavi"-Riff westlich von Falkonera entgegen den Angaben der Seekarte befeuert schien. Deutlich konnte ich auf der Position, an der sich das Riff befinden musste, ein Feuer mit 30-Sekunden-Frequenz ausmachen und konnte es so auch bald auf dem Radar lokalisieren. Als wir uns jedoch der Querab-Position zum Riff näherten, war das Feuer plötzlich weg, auch wenn ich angestrengt Löcher in die Nacht starrte. Ob es nun exakt zu diesem Zeitpunkt kaputt gegangen war oder so unglücklich platziert ist, dass man es nur von bestimmten Positionen aus sehen kann, bleibt unklar. Für Letzteres spricht die Tatsache, dass es deshalb erst gar nicht in der Seekarte vermerkt ist, damit sich niemand auf sein Erscheinen verlässt.

Als wir den belebten Teil des Seegebiets hinter uns gebracht hatten, löste mich Elisabeth für ein einstündiges Nickerchen ab. Sie hatte vorher ein paar Stunden auf der Bank des Ruderhauses geschlafen. Inzwischen war der Strom von hinten größtenteils verschwunden. Dafür baute sich eine immer höhere Dünung aus Südost auf - wir wussten, dass wenige Seemeilen südlich von uns ein Starkwindgebiet tobte und hofften, dass diesen bis zu zwei Meter hohen, aber langgestreckten Wellen nicht auch noch der Wind nachkam, der sie verursacht hatte. Nachdem wir für einige Zeit einen wunderbar klaren Sternenhimmel gehabt hatten, wie man ihn wohl nur auf See und in der Wüste erleben kann, bewölkte sich der Himmel wieder und ich wachte grade rechtzeitig auf, um das erste Wetterleuchten registrieren zu können. Himmel! Ein Gewitter auf See war nun wirklich das Letzte, was wir mitten in Nacht und Welle gebrauchen konnten. Sehnsüchtig schauten wir auf die inzwischen sichtbaren Lichter von Monemvasia. Aber es standen noch immer zwei Stunden Fahrt an. Wir saßen in den Türen des Ruderhauses, beobachteten den Himmel, unsere Position und die langsam näherkommende Küste. Fast unmerklich begann es zu dämmern und ab sieben Uhr fuhren wir durch einen trüben wolkenverhangenen Morgen.

Plötzlich entdeckten wir neben dem Schiff Delphine, die immer näher kamen und so hoch aus dem Wasser sprangen, dass man die weißen Unterseiten ihrer eleganten Körper sah. Müdigkeit und Besorgnis verflogen angesichts dieser bezaubernden Reisebegleiter auf der Stelle und wir nahmen dieses Begrüßungskomitee als gutes Zeichen, was sich dann auch bewahrheitete: eine Stunde später lagen wir sicher längsseits am Hafenpier von Monemvasia und tranken unser "Gute Nacht"-Bier. Dass uns das ein polnische Chartercrew am Nachbarsteg nachtat, obwohl sie kurze Zeit später auslief, war so sehr "Klischee", dass wir uns weigerten, weitere Schlüsse daraus zu ziehen.

Die mittelalterliche Festungsstadt Monemvasia von See gesehen, aufgenommen während unserer Fahrt zum Hafen.

 

Da es von vorn herein klar war, dass wir hier während der nächsten Starkwindperiode einige Tage bleiben würden, freuten wir uns darauf, uns noch einmal in aller Ruhe die wirklich sehenswerte Festungsstadt Monemvasia anschauen zu können. Auch wenn vieles zerstört ist und die Griechen die Stadt bis weit in die 60er Jahre hinein sträflich verkommen ließen, wird seit einiger Zeit vieles wieder restauriert oder zumindest erhalten - mit kräftiger finanzieller Unterstützung der EU. Schon bei der Annäherung beeindrucken die Mauerreste der einstigen Festung auf dem gewaltigen Felsen:  

Monemvasia hatte im Mittelalter bis zu 60000 (sechzigtausend!) Einwohner und war damit eine riesige Großstadt für diese Zeit. Die Unterstadt am Fuß des Burgfelsens ist noch recht gut erhalten, die "Oberstadt" auf dem 1,7 km langen Felsplateau in 300 Metern Höhe besteht nur noch aus rudimentären Resten, an denen jedoch noch sehr eindrücklich die riesige Ausdehnung der einstigen Stadt zu erkennen ist. Auch der herrliche Ausblick von oben entschädigt für den mühsamen Aufstieg über einen mit rutschigen schwarzen Lava-Kieseln gepflasterten steilen Serpentinenweg. Auch einen schönen Blick über Hafen und Neustadt gewährt eine Wanderung zum Westzipfel des Hochplateaus:

Links der Hafen, in dem wir festgemacht haben. Wieder einmal neben dem Seenotrettungskreuzer der Marine (rot-orange), von dem noch die Rede sein wird.

 

Hier ein kleiner Bilderbogen von Unter- und Oberstadt der Feste Monemvasia:
Aber auch unser Hafen bietet Bemerkenswertes: Ein "halber Vulkan" liegt als Wellenbrecher vor der Hafenmauer in Form von bis über zwei Meter dicken Felsbrocken. In grauer Vorzeit gab es hier, wie auch auf den Kykladen, starke vulkanische Aktivitäten. Ein Kapitel bewegter Erdgeschichte ist nun hier ausgebreitet und präsentiert sich in beeidruckendem Form- und Farbreichtum. Auch davon ein paar "Spots":
Wir liegen wieder am gleichen Platz wie bei unserem ersten Besuch im Mai Bug an Bug zum Seenotrettungskreuzer der griechischen Marine und wenn man die Schiffe nebeneinander betrachtet, fallen unmittelbar einige Ähnlichkeiten ins Auge: von der Form des Bugs bis zur Line der Flanken. selbst wenn man nicht wüsste, dass unser Boot schwerwettertauglich und seegängig ist, würde sich die Zuschreibung dieser Attribute beim Vergleich mit dem für härtesten Einsatz konzipierten Seekreuzer anbieten.
Und nun wieder "Das Letzte" - dieses Mal in drei Teilen:
Teil 1: Manchmal würde ich meine "Nationale" am liebsten schamvoll einholen. Zum Beispiel, wenn ich einen der schlimmsten und ungepflegtesten (Yacht-)Rostkübel sehe, der je die Meere befuhr und der jetzt in einer Ecke des Hafens (wahrscheinlich) kostenlos vertäut ist und kostbaren Platz verstellt - unter deutscher Flagge, registriert in Hamburg (Pamira). Pfui Deibel aber auch.... (rechts ein Detail stellvertretend für den gesamten Zustand des miesen Kübels).

Teil 2: Wenn Griechen "geschäftstüchtig" werden, führt das sehr schnell dazu, dass unverfroren eine paranoide Raffgier an den Tag gelegt wird: Neu-Monemvasia besteht aus mehr Hotels wie Privathäusern. Dies muss der Grund sein für ein Schild, das neben einem kleinen unbenutzten Platz am Meer aufgestellt ist, der sich ganz gut als Parkplatz für Wohnmobile und Caravans anbieten würde. Jedem Fahrzeug dieser Art, das hier aber stehen bleibt, verheißt das Schild eine Strafe von 175 Euro (!!!) pro Person und Nacht. Eine alternative Stellmöglichkeit wird (natürlich) nicht angeboten. Diese Geste ist nicht nur unfreundlich, sie ist widerlich und abstoßend. Wer mir noch ein Mal erzählen will, Griechen seien gastfreundlich, dem halte ich den Mund zu und lach ihn aus. Lächerlich ist auch die hirnverbrannte Sinnlosigkeit dieser lausigen Geste: Von den Besuchern, die mit dieser maßlosen Drohung vertrieben werden, würde kein einziger alternativ ein Hotelzimmer buchen. Es werden nur Kunden vertrieben, die sonst in der Stadt einkaufen und essen würden. "Blind vor Gier" ist hierfür wohl der richtige Ausdruck.
Teil 3: In der Altstadt habe ich mir ein Büchlein ("Strassen Monemvasias", Gramma Editions Athen 2003) gekauft, das einige hübsche Bildchen enthält und vorgibt, Details zur Geschichte der Stadt zu enthalten. Das Büchlein war mit 5 Euro ausgezeichnet, abkassiert wurde mit stinkend freundlicher Mine das Anderthalbfache. Ich kapitulierte mal wieder vor der griechischen Unverschämtheit beim Abzocken von Touristen und protestierte vor Ekel nicht. Zurück auf dem Boot studierte ich dann meinen Kauf. Ein lobhudelnder, völlig unsachlicher und verdrehter Text, vor dem die stringente und sachliche Darstellung in unserem (deutschen) Reiseführer wohltuend absticht. Das Schlimmste war jedoch das Deutsch, in dem das erbärmliche Machwerk gehalten war. Eine Verhöhnung des Käufers, eine Beleidigung der deutschen Sprache, der beschriebenen Sachverhalte. Eine nationale Schande für das kulturelle Griechenland (so überhaupt existent). Auch der griechische "Nationaldichter" Jannis Ritsos, der in Monemvasia wirkte, wird gnadenlos geschändet. In einem 8 enge Zeilchen, 62 Wörter kurzen Zitat eines seiner Gedichte versammeln sich 14 nicht verständliche oder falsch geschriebene Wörter. Das entspricht einer Fehlerqote von 23%! Jeder pisa-getadelte deutsche Grundschüler könnte diese Fehlerquote positiv toppen. Unter anderem finden sich folgende Scheußlichkeiten, die zu weitgehendem Unverständnis des kurzen Textes führen: "...wie das Schneigen...", "...driicket die Zähne..." (??), "Die Strabe verschwindet...", "...dir Maner...", "Die warzel stolpert...", "Alle kaken ein bisschen Himmel...". ????: Das soll bitteschön Deutsch sein - der Rest der Texte hat ähnliche "Qualität". Nun ja - damit bleibt dieser "Kulturführer" immerhin im "Stil", nicht anders wie der überteuerte Fraß, der in den Touristentavernas als "nationale Spezialität" serviert wird und oft den Verdacht nahelegt, dass der Urheber weder eine minimalste Grundausbildung genossen hat, noch in der Lage ist, wenigstens ein Kochbuch zu lesen, bevor er solche Verbrechen an unschuldigen Grundnahrungsmitteln begeht. Eine "nationale Spezialität" scheint jedenfalls flächendeckend: unterirdische Qualität zu abartigen Preisen.