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Mit dem Bus an den Tegernsee inklusive Mittagessen "in einem gemütlichen Landgasthof" - das ist eine KaffeeFahrt. Mit dem LuxusLiner "zu den schönsten Plätzen der Karibik" - das ist eine Kreuzfahrt. Und was sind 26 Stunden "Venedig-Korfu" auf der Fähre längs durch die Adria inklusive "Camping on Bord" im Wohnmobil? - Ein Stimmungsbild.

 

DIE KLEINE ÜBERFAHRT

 

Schlafsäcke in allen Farben auf rußverschmiertem blaugrau angestrichenem Stahlboden verbreiten sich gleich zu Anfang in jeder Ecke des Freidecks wie eine schnell wachsende Flechte in einem mit Zeitraffer gefilmten Laborversuch und animieren die Passanten bei einem ersten Erkundungsgang zu tänzerischen Einlagen, sofern nicht einfach achtlos auf allem rumgelatscht wird. Während ein paar Stockwerke tiefer noch ein durch nichts aus der Ruhe zu bringender Einweiser mit energischen Gesten auch den entnervtesten FamilienVater dazu bringt, das ungewohnte MietWohnmobil im RückwärtsGang einigermaßen grade und platzsparend in die lange Reihe bereits geparkter Wagen zu bugsieren. Dazwischen pendeln wir erst mal, beobachten, wie unser Wohnmobil von allen Seiten von anderen Wohnmobilen zugeparkt wird - vorn und hinten eine Hand breit, rechts und links fünfzig Zentimeter. Die Luft ist schwülheiß und stinkt nach Dieselöl. Hier länger bleiben oder gar schlafen? Rauf auf´s Deck, Tanz um die Schlafsäcke nach vorn zum Bug - Ahhhh - Luft!

Plötzlich wandert ein Haus vorbei - ist die Lagunenstadt bereits so beweglich? Berichte über den fragilen Allgemeinzustand Venedigs zucken kurz auf. Oder ein Fall gigantischer Kulissenschieberei? Wir laufen aus. Auch wenn auf Tausenden Tonnen Stahl stehend zunächst keine Bewegung fühlbar wird. Außerdem laufen wir doch noch nicht so richtig aus - wir laufen eher durch: Turmhoch schleicht sich das mächtige Schiff mitten durch einen Kanal und mitten durch Venedig. Gierig gezückte Fotokameras und digitale KleinstVideoGeräte platzen fast vor Panorama. Markusplatz und Seufzerbrücke von Abendsonne und "Sphumato" umschmeichelt (Das als profanen "Dunst" zu bezeichnen, verbietet sich bei der samtenen Weichheit des honigfarbenen Lichts). Ringsum wuselnde Vaporetti und sonstige motorbetriebene Nachen, mit Gemüse, Sand oder Touristen beladen.

Nach einer halben Stunde lichtet sich das Panorama, tritt zurück, und zwischen zwei langen, aus ockerfarbenen Steinblöcken aufgeschichteten Wellenbrechern erreichen wir den offenen Teil der Lagune. Stadtrundfahrt beendet, alles strebt hier und dort hin - in die "Launtsch", zum Schlafsack, ans Wohnmobil. In Griechisch, Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch verkündet eine Frauenstimme aus quäkenden Blechtütchen die Öffnung der BordRestaurants. Wir besichtigen den Wandschmuck der Bar, lauter Rumpfmodelle klassischer Segelyachten als Halbrelief auf Samt im Goldrahmen, und danach die Schlange vor dem SelbstbedienungsRestaurant. Ihre Länge bestimmt die Entscheidung für Tütensuppe und Fischbrot im Wohnmobil. Abendprogramm: Dosenbier an Deck, zufälliges Geplauder mit einem freundlichen deutschen Manager in loyaler UrlaubsStimmung und anschließendes Ignorieren der Decksverschmutzung zwecks NachtLagerung auf Isomatte und Schlafsack gleich oberhalb der Heckwelle; Geschüttel und sonores Gebrumm der mindestens 1000000 KW des SchiffsDiesels inklusive.

 

 der komplette Text erscheint in Kürze als e-book in der Textsammlung "Blaue Lust"

 

Nachbemerkung: während ich im Text versucht habe, eine in den Augen mancher Passagiere eher weniger bemerkenswerte Zeitspanne als durchaus erlebenswert heraus zu kristallisieren, sind die Bilder als bewusster Kontrast zum "Menschlich-Allzumenschlichen" Inhalt des Texts gewählt - und gleichzeitig als Fortsetzung seines gestalterischen GrundAnsatzes: "Das Schöne" im Prophanen - man muss es nur sehen (wollen). Sei es durch eigene Deklinierung des Wahrgenommenen, sei es durch bewusste Suche nach Ästhetik - die wohl immer neben dem geschulten Blick auch ganz "einfach" Geduld und Arbeit erfordert: Ich habe auf dem vollbesetzten Schiff für die Fotos teilweise lange auf "den richtigen Augenblick" gewartet, alleine was den besten Lichteinfall betraf, legte bei der Motivsuche auf den verschiedenen Decks einige Seemeilen zu Fuß zurück und musste recht reaktionsschnell sein, bevor wieder jemand durch mein Motiv spazierte, der da nicht sein sollte - für das unterste Foto genoss ich die Mithilfe des freundlichen Anführers einer Gruppe von Reisenden, die eben im Augenblick meines "Shootings" aus einer SeitenTür hervorströmte und vom verständnisvollen Reiseleiter für die Augenblicke des Fotos hinter der Wand am linken Bildrand zurückgehalten wurde - herzlichen Dank dafür an dieser Stelle!